Sonntag, 17. Juli 2011

Georges Simenon: Wellenschlag (Diogenes)

Im Rhythmus von Ebbe und Flut, behütet von zwei Tanten, lebt der Muschelzüchter Jean. In seiner Nachbarschaft wohnt Marthe. Und Marthe ist schwanger von Jean. Die Tanten regeln auch das - mit Schweigegeld, und mit einer Engelmacherin. Als das schiefgeht, arrangieren sie die Heirat und pflegen die Kranke, bis sie schließlich stirbt. Selbst bei der Beisetzung Marthes spielt Jean keine Rolle - die Tanten haben ihn zu einem Kunden geschickt. Dieses Leben, das eher dem Werden und Vergehen einer Pflanze gleicht, beschreibt Simenon in seiner unnachahmlich dezenten Art - mit wenigen Sätzen, eher andeutend und skizzierend als schildernd. In diesem Buch steht nicht ein Komma zuviel, und das Schweigen, das Simenon dort ausbreitet, wo andere wortreich erzählen würden, macht die Lektüre unglaublich angenehm. Genial! 

Ariana Franklin: Der König und die Totenleserin (Droemer)

England, zur Zeit Heinrichs II.. Ein Krieg - gegen die Waliser, die nicht aufgeben wollen. Eine abgebrannte Abtei nebst einer sehr mysteriösen Schankwirtschaft. Zwei furchtbar zugerichtete Skelette. Und eine Räuberbande. Das ist das Inventar dieses Krimis, in dessen Mittelpunkt erneut die Totenleserin Adelia steht. 
Und wie üblich, wird es auch diesmal sehr gefährlich. Denn der Fall, den sie lösen soll, ist hochpolitisch. Henry Plantagenet hat Adelia damit beauftragt, herauszufinden, ob die beiden Skelette wirklich die des sagenumwobenen Königs Arthur und seiner Gemahlin Guinevere sind. Damit könnte der König sowohl die aufsässigen Waliser an sich binden, als auch den Wieder- aufbau des Klosters finanzieren. Denn in diesem Falle befände es sich gleich an doppelt heiliger Stätte - was ohne Zweifel die Spenden fließen lassen würde. 
Ariana Franklin gelingt ein 1A Krimi - spannend, ein bisschen gruslig, und voll unerwarteter Wendungen. Wie Adelia eine Lösung findet, die nahezu allen Beteiligten hilft? Dieses Buch muss man gelesen haben - und es fällt schwer, es aus der Hand zu legen, so gut ist es geschrieben. 

Samstag, 16. Juli 2011

Heidi Rehn: Hexengold (Knaur)

Auch in Frankfurt kommt die ehemalige Wundärztin Magdalena nicht zur Ruhe. Ihr geliebter Eric hat mehr als ein Geheimnis; und als ihre seltsame Base Adelaide nebst Sohn aus ihrem Anwesen vertrieben wird und bei ihr einzieht, wird das Leben in der Handelsstadt noch komplizierter. Dann geht Eric auf Handelsreise. Es dauert nicht lange, und Magdalena hat herausgefunden, dass er diesmal nicht nach Italien aufge- brochen ist, sondern nach Königsberg - dorthin, wo sowohl seine als auch ihre Eltern einst gelebt haben. 
Dann erscheinen die Gläubiger auch bei Magdalena, und nehmen das Anwesen ihrer Familie in Beschlag. Da beschließt sie, Eric nachzu- reisen, der ihr offenbar auch Nachrichten über ihre verschollene Familie verheimlicht hat. Denn in Königsberg wartet das Erbe einer erfolgreichen Bernsteinhändlerdynastie - doch der Weg dahin führt durch gefährliche Gegenden. Der Dreißigjährige Krieg ist noch nicht lange vorbei. Und in Ostpreußen stehen nach wie vor die Truppen. Ein spannender Historienroman, gut geschrieben und in vielen Details überzeugend. 

Christian Schünemann: Daily Soap (Diogenes)

Starfriseur Tomas Prinz stylt Producerin Tina Schmale neu, die vor kurzem die TV-Serie "So ist das Leben" übernommen hat. Ihre Aufgabe: Die Quote deutlich verbessern - und zwar schnell. So wird eine neue Hauptrolle kreiiert, und ein Star gesucht, der sie übernimmt. Doch wer will schon in einer Daily Soap mitspielen? 
Da hat der Friseur einen Tip: Charlotte Auerbach, in den 70ern eine Berühmtheit, ist aus Kalifornien zurück. Sie ist auch bereit, in "So ist das Leben" einzusteigen - aber nur, wenn Prinz ihr als persönlicher Stylist zur Verfügung steht. So begibt sich der Friseur  ins Film-Business. Und das ist gar nicht glamourös. Unter hohem Druck produziert das Filmteam täglich 25 Minuten Vorabend-Unterhaltung, plus eine Menge Intrigen. Schon bald findet sich auch eine Leiche - ein Fall für den Friseur, spannend, überraschend und außerdem sehr unterhaltsam. Wer beim Lesen nicht zumindest schmunzeln muss, dem ist nicht zu helfen. 

Donnerstag, 14. Juli 2011

Lena Johannson: Die Braut des Pelzhändlers (Knaur)

Lübeck, 1430: Kaufmann Heimo von Ranteln schickt seine Tochter Bilke mit einem Handelsschiff nach Riga, wo sie den Pelz- händler Hartwych van Broke heiraten soll. Doch schon bald wird das Schiff von Piraten gekapert. Bilke stellt entsetzt fest, dass längst nicht alle Menschen, die sie für gut und ehrbar hält, das auch sind. Denn ihr eigener Vater hat den Überfall inszeniert - um einen Krieg anzuzetteln.
Sein Vorhaben misslingt. Und Lena Johannson beschert ihren Leserinnen am Ende dieses Buches das gattungstypische Happy End: Bilke kriegt Hartwych, ein Messer setzt den Intrigen des Kaufmanns den Schlussstrich, und ein Pirat bleibt ein Pirat. Das ist nicht besonders spannend. 

Martin Walker: Schwarze Diamanten (Diogenes)

Darf ein Schotte einen Krimi schreiben, der in Frankreich spielt? Wer die Bruno-Romane von Martin Walker gelesen hat, wird sich diese Frage nicht mehr stellen. Denn Walker ist im Périgord mittlerweile zu Hause; er hat dort eine Heimat gefunden, wie seine Krimis beweisen. So liebevoll, wie er über Land und Leute schreibt, folgt man ihm gern auch durch den dritten Fall von Bruno Courrèges, Chef de police in dem kleinen Städtchen Saint-Denis. 
Und der ist ganz schön knifflig. Was haben die protestierenden Ökos vor dem Sägewerk von Boniface Pons, der offenkundige Betrug beim Versand von schwarzen Trüffeln und der Mord an Brunos Jagdfreund Hercule miteinander zu tun? Wieso bekriegen sich in der ländlichen Idylle auf einmal Asiaten erbittert? 
Die Antwort auf diese Fragen ist ähnlich schwer zu finden wie das verschollene Tagebuch, in dem der legendäre Trüffelexperte Hercule seine Funde auflistete - doch letzten Endes hat auch dieser Fall eine ebenso verblüffende wie elegante Lösung. Das Finale ist so typisch französisch, wie man das sonst nur von Simenon kennt. 

Judith Kern: Der Tanz der Kraniche (Knaur)

Ida Grotjahn, Tochter eines Fabrikanten aus Stralsund, soll das Führen eines Haushaltes erlernen, und dann schnellstens heiraten. So wollen es ihre Eltern. Doch das junge Mädchen hat ganz andere Pläne. Ida will Künstlerin werden. Frauen aber sind im Kunstbetrieb um die Jahrhundertwende nicht willkommen, und Damen aus besserem Hause arbeiten ohnehin nicht, jedenfalls nicht sichtbar. Kein Wunder, dass ihre Familie Ida auf diesem Wege nicht unterstützt. 
Die junge Frau reist zunächst nach Hiddensee, und dann zum Studium nach Berlin. Doch weit mehr als das Leben in der Großstadt fasziniert Ida die karge Landschaft auf Hiddensee - und der berühmte Maler Klausen. Endlich mit ihm verheiratet, merkt Ida, dass das Leben im Schatten eines Genies nicht ganz einfach ist - und dass sie weiter um Autonomie ringen muss, wenn sie glücklich werden will.
Die Geschichte des Künstlerpaares hat Autorin Judith Kern mit der Entstehung der Künstlerkolonie auf Hiddensee liebevoll verwoben. Leichte, stimmungsvolle Sommerlektüre - passt perfekt zum Ost- seeurlaub!