Samstag, 7. Juli 2012

Anna Schädlich / Susanne Schädlich (Hrsg.): Ein Spaziergang war es nicht (Heyne)

"Wenn es ein kollektives Geheimnis gab in meinem Land, das selbst mir mit elf Jahren bekannt war, dann jenes, dass eigentlich alle den Wunsch hegten, es zu verlassen. Zumindest befristet. Im Grunde für immer", erinnert sich Anna Langhoff an die Gesprä- che, die ostdeutsche Intellektuelle in der Küche ihrer Eltern führten. Doch dann ver- lässt ihre Familie das Land tatsächlich - wie all die anderen Dissidenten, Aufsässigen, Unbequemen, um die es in diesem Buch geht. 
Die Kinder mussten mit. Auf die oft gar nicht so schöne neue Welt, die sie in Westdeutschland erwartete, waren sie nicht vorbereitet. Hier berichten beispielsweise Eliyah Havemann, Benjamin und Jakob Schlesinger, Nadja Klier, Moritz Kirsch und Denise Kunert, wie sie den Wechsel verarbeiteten, der sie aus dem verlogenen Arbeiter- und Bauernstaat in das kapitalistische Paradies führte, das sie dann als ebenso verlogen erlebten. Es sind oft verheerende Geschichten von Erwachsenen, die so mit sich selbst beschäftigt waren, dass sie das Leiden ihrer Kinder nicht einmal wahrgenommen haben, beklemmen- de Erinnerungen aus einer bleiernen Zeit. Anna und Susanne Schäd- lich ist es zu danken, dass die Auswirkungen dieses Systemwechsels nicht länger vertuscht und verschwiegen werden. 


Prädikat: ***

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