Freitag, 29. Mai 2015

Christian Limmer: Saucool (Knaur)

Hauptkommissar Lederer hat ein Problem: Der schönste Polizist Niederbayerns wird strafversetzt –  nach Niedernussdorf, wo er schon mehrfach Ermittlungen unterstützen musste. Alle Beteiligten erinnern sich mit Schrecken daran. 
Und prompt findet sich im ländlichen Idyll eine Leiche, vom Scheitel bis zur Sohle gekleidet in Latex. Lederer verfolgt die Domina bis in ihr Bett – und trifft dann eine Entscheidung, die sich mit dem Polizeidienst nicht wirklich vereinbaren lässt. Christian Limmer hat erneut eine coole Kriminalkomödie geschrieben, mit einer großen Portion blauweißem Charme. 

Prädikat: ***

Franz Hohler: Gleis 4 (Luchterhand)

Verreisen wollte Isabelle, für ein paar Tage in den Urlaub nach Italien. Ein älterer Herr ist so freundlich, ihr den Koffer die Treppe zu den Bahngleisen hinaufzutragen. Dort angekommen, bricht er jedoch plötzlich tot zusammen. An Abreise ist nicht mehr zu denken, und in der allgemeinen Verwirrung nimmt Isabell versehentlich eine Mappe an sich. Darin befindet sich das Mobiltelefon des Verstorbenen, und natürlich klingelt es. Isabelle begibt sich auf die Suche nach den Hinterbliebenen, und mehr und mehr interessiert sie sich für den Lebensweg des Toten. Seine Spuren freilich sind gar nicht so leicht aufzufinden. Franz Hohler hat einen faszinierenden Roman voller überraschender Wendungen geschaffen – der zudem ein höchst verblüffendes Kapitel aus der Geschichte der Schweiz erzählt. Unbedingt lesen! 

Prädikat: ****

Donnerstag, 28. Mai 2015

Eli Brown: Die kulinarischen Anwendungsmöglichkeiten einer Kanonenkugel (Droemer)

Bei einem Überfall wird ein junger Koch auf ein Piratenschiff entführt. Owen Wedgwood soll ab sofort an jedem Sonntag ein Gourmet-Menü für Kapitänin Mad Hannah Mabbot servieren – und wenn ihm dies nicht gelingt, muss er mit den Haien um die Wette schwimmen. Doch an Bord gibt es weder eine vernünftige Küche noch geeignete Zutaten. Wie er sich dennoch auf der Flying Rose behaupten kann, erzählt Eli Brown in seinem fabelhaften Roman. In der Welt dieser Piraten jedenfalls ist nichts so, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Was für ein Lesevergnügen!

Prädikat: ***

Mittwoch, 27. Mai 2015

Rita Falk: Zwetschgendatschikomplott (dtv)

Der Eberhofer Franz hat einen ganzen Haufen Probleme: Nach der geplatzten Hochzeit mit der Susi ist er bei seiner Oma in Ungnade gefallen. In Niederkaltenkirchen gibt es schier einen Aufstand, weil der örtliche Metzger eine Wiese an einen Investor verkaufen will, der ein Hotel dort errichten möchte. Und beim Birkenberger Rudi, seinem besten Freund, landet eine Krähe auf dem Balkon, mit einem zierlichen Finger im Schnabel. 
Wer aber sucht, der findet – und so muss der Franz urplötzlich im Münchner Rotlichtmilieu auf die Suche nach einem Serienmörder gehen. Denn die drei toten jungen Frauen im Dirndl waren Prostituierte. Und um noch eins draufzusetzen, kriegt die Susi ein Kind. Zefix! 
Rita Falk bringt ihren knorrigen Ermittler aus der bayerischen Provinz diesmal privat in arge Bedrängnis – da löst sich der eigentliche Fall beinahe so nebenher. Und der Leser wartet bereits gespannt auf die nächste Folge nebst Antwort auf die Frage, ob es nicht doch noch eine Hochzeit geben wird. 

Prädikat: ***

Montag, 4. Mai 2015

Tommy Krappweis / Heinz J Bründl: Vier Fäuste für ein blaues Auge (Knaur)

Der Wilde Westen fängt gleich hinter München an – in Poing errichtete Heinz
J. Bründl einst No Name City, und Tommy Krappweis jobbte bei ihm als, nun ja, Stuntman, und was Männer sonst noch so zu tun haben in einem „echten“ Westerndorf, wo zum Gaudi der Ausflugsgäste zweimal täglich die Bank überfallen wird. Das alles ist freilich schon seit einiger Zeit Geschich- te. 

Wie es war, damals, darüber haben sich Bründl und sein früherer Mitarbeiter dennoch lange unterhalten. So entstand dieses Buch, das sich mit- unter ganz unterhaltsam liest, mitunter aber auch von einer Nostalgie getragen wird, die Außenstehende nicht so recht nachvollziehen können: Weißt Du noch? fragt Stichwortgeber Krappweis. Und Bründl erzählt und erzählt. Der Leser wiederum wundert sich ein bisschen, dass sich jemand gefunden hat, der das druckt. 

Prädikat: *

Birgid Hanke: Flamme der Freiheit (Knaur)

Eleonora Prochaska ging in die Geschichte ein. Denn im Freiheitskrieg wählte sie nicht den Karren der Marketenderin, sondern das Gewehr und die Uniform: Unter dem Namen August Renz zog sie 1813 mit den Lützower Jägern in die Schlacht und fiel. 
Warum kämpft eine Frau, als Mann verkleidet, gegen Napoleon? Diese Frage beschäftigte Birgid Hanke. In diesem Buch erzählt sie eine höchst ungewöhnliche Lebensgeschichte – in Form eines Historienromans, aus dem Umfeld des preußischen Hofes. 

Prädikat: **

Montag, 27. April 2015

Wendy Holden: Echte Freunde (Knaur)

Einen kleinen Jungen und einen riesigen Hund porträtiert dieses Buch. Die beiden sind unzertrennlich – dabei müssen sie beide ein schweres Schicksal bewältigen. Denn Owen leidet an einer angeborenen Muskelerkrankung, dem sogenannten Schwartz-Jampel-Syndrom. Bei dieser extrem seltenen Krankheit sind die Muskeln nach einer Kontraktion nicht in der Lage, sich wieder zu entspannen. Sie versteifen sich, und so behindern sie auch die normale Entwicklung des Skeletts. Owen sieht anders aus als die „normalen“ Kinder, und er ist auf einen Rollstuhl angewiesen. 
Haatchi ist ein Anatolischer Schäferhund, der als Welpe beinahe erschlagen und dann zur Entsorgung auf Bahngleise verfrachtet wurde. Schwer verletzt – ihm fehlen ein Hinterbein und der Schwanz – wurde er gerettet. Kind und Hund sind ein faszinierendes Team. Wendy Holden erzählt in ihrem Buch die Geschichte einer ganz besonderen Freundschaft. Allerdings muss der Leser eine große Portion Leidensfähigkeit mitbringen, denn stilistisch ist dieses Buch eine Katastrophe.

Prädikat: **

Jussi Adler-Olsen: Erbarmen (dtv)

Zwei Familien sind mit dem Auto unter- wegs. Ein kleines Mädchen ärgert ihren Bruder, so dass der Vater durch die Kinder einen Moment abgelenkt ist. Es kommt zu einem schweren Unfall – und Lars, Sohn der anderen betroffenen Familie, verzeiht Merete nie, was sie getan hat. Denn bei dem Zusammenprall sterben sein Vater und seine kleine Schwester; seine Mutter bringt, im brennenden Autowrack eingeschlossen, Zwillinge zur Welt, von denen nur einer überlebt. Sie selbst ist so schwer verletzt, dass es Jahre dauert, bis sie den Jungen wieder selbst versorgen kann – Jahre, die für Lars die Hölle bedeuten. 
Und deshalb schwört er Rache: Merete soll leiden, wie er einst gelitten hat. Er hat einen perfiden Plan – und eine Druckkammer, in der er die junge Frau gefangen hält. In jedem Jahr erhöht er den Druck. Carl Mørck, Spezialermittler des neu eingerichteten Sonderdezernats Q bei der Kopenhagener Polizei, und sein syrischer Assistent Hafez el-Assad, finden die Entführte in buchstäblich letzter Minute. Spannung pur! 

Prädikat: ****

Sonntag, 26. April 2015

Wolfram Fleischhauer: Schweigend steht der Wald (Droemer)

Die Forststudentin Anja Grimm reist für ihr Praktikum in eine entlegene Gegend im Bayerischen Wald. Das ist kein Zufall: Dort hat sie als kleines Mädchen mit ihren Eltern Urlaub gemacht. Bei den Dorfbewohnern sorgt dies für Unruhe. Kurz nach ihrer Ankunft wird im gleichen Waldstück, in dem vor zwanzig Jahren Anjas Vater spurlos verschwand, der geistig zurückgebliebene Xaver Leybach erhängt aufgefunden. Das bleibt nicht der einzige Todesfall. Und als sich herausstellt, dass die junge Frau den Wald lesen kann wie andere Leute ihre Zeitung, gerät sie in große Gefahr. Wolfram Fleischhauer verknüpft gekonnt einen Kriminalfall mit großer Geschichte. Ein verstörendes Buch. 

Prädikat: ***

Linda Conrads / Alexandra Richter: Dreck muss weg (Knaur)

Manche Kriminalfälle sind so unappetitlich, dass nicht einmal die Polizei wirklich Lust darauf hat, sie aufzuklären. Linda Conrads und Alexandra Richter treten in ihrem Roman den Beweis für diese These an. 
In Hamburg und im ostfriesischen Uttum werden zwei alte Damen tot aufgefunden. Sie waren Schwestern - und beide haben den Mund voll mit Dreck. Marga Terbeek und Kalle Bärwolff ermitteln, doch die Hinweise sind spärlich, und alle Spuren enden im Nichts. 

Prädikat: **

Samstag, 25. April 2015

Maike von Wegen: Mutterseelenalleinerziehend (Knaur)

Meike Büttner ist zwanzig, als sie schwanger wird. Ein Kind zu bekommen, das ist in diesem Alter eigentlich nichts verblüffendes. Dass der mitbetroffene Kerl sich vom Acker macht, auch das soll vorkommen. Unsere Großeltern hätten in dieser Situation vermutlich kurz mit den Zähnen geknirscht – und dann die Ärmel hochgekrempelt. 
Job weg? Dann muss man sich einen anderen suchen, so ist halt das Leben, und wenn die Arbeit vielleicht nicht unbedingt Spaß macht, so bringt sie doch Geld, und das ist nicht zu verachten. Frau Büttner aber ist aus unerfindlichen Gründen der Meinung, dass Selbstverwirklichung die erste Menschenpflicht und auch ein Menschenrecht ist. Hinter jeder Zeile in diesem Buch steht dick und fett nur ein Wort: Ich, ich, ich. Es ist ein unerträgliches, jämmer- liches, albernes Machwerk – und man fragt sich kopfschüttelnd, warum ein Verlag wie Knaur so ein Pamphlet veröffentlicht. Wie peinlich! 

Prädikat: --

Dmitri Verhulst: Der Bibliothekar, der lieber dement war als zu Hause bei seiner Frau (Luchterhand)

„Das Leben schien schneller zu verlaufen als die Gedanken, und bevor er einen Entschluss gefasst hatte, war er ein alter Mann.“ Désiré Cordier, mittlerweile gut 70 Jahre alt, hat immer nachgegeben, wenn seine Frau Moniek etwas von ihm wollte. Nun aber will sie das Haus verkaufen, und in eine kleine Wohnung ziehen. 
Bei dem Gedanken, die Tage gänzlich mit seinem dominanten Weib verbringen zu müssen, ohne Ausweichmöglichkeit in Garten und Keller, empfindet Cordier Panik. Und so beschließt er, endgültig die Flucht zu ergreifen: Der ehemalige Bibliothekar spielt seiner Umwelt Demenz vor, was ihm so gut gelingt, dass er sich schon bald im Pflegeheim wiederfindet. Dimitri Verhulst ist eine komische Tragödie gelungen. Denn auch das Dasein der Alten im Heim hat seine Tücken. Mit spitzer Feder zeichnet der flandrische Autor seinen Helden und dessen Abenteuer  im Reich der Erwachsenenwindeln. Was für eine fiese Geschichte! 

Prädikat: ****

Mittwoch, 22. April 2015

Claudia Frenzel: Brennender Zorn (dtv)

Eine Villa in Berlin ist abgebrannt; die Bewohner kamen dabei ums Leben. Was genau passiert ist, wurde nie geklärt. Zwanzig Jahre später wird in der Ruine eine Leiche gefunden. Selbstmord oder Mord? Wer ist überhaupt der Tote? Hatte er etwas mit dem Brand zu tun? 
Viele Fragen, und kein leichter Start für Kommissar Hanno Kaltwasser, der sich nach einer beruflichen wie auch privaten Krise von München nach Berlin versetzen lassen hat. Ob er herausfinden kann, was seinerzeit das Feuer verursacht hat? Der erste Kriminalroman von Claudia Frenzel ist überraschend komplex – und rundum gelungen. 

Prädikat: ***

Dienstag, 21. April 2015

Bielefeld & Hartlieb: Nach dem Applaus (Diogenes)

Ein ganz besonderes Paar ermittelt: Der Berliner Hauptkommissar Thomas Bernhardt und die Wiener Chefinspektorin Anna Habel begeben sich bei ihrem dritten Fall ins Theatermilieu. Anlass dafür ist der Tod von Sophie Lechner. Die junge Schauspielerin war am Wiener Burgtheater ein Star. Doch bevor sie auch in Berlin die Bretter, die die Welt bedeuten, erobern konnte, fällt für „die große Exaltierte“, so die Presse, der Vorhang: Sie wird in ihrer Wohnung erstochen aufgefunden. 
Wer ist der Täter – war es einer von Sophies zahlreichen Liebhabern, oder gab es beruflich Probleme? Um das herauszufinden, müssen Ermittler aus Wien und Berlin gemeinsam vorgehen – und wer wäre dazu berufener als Habel und Bernhardt, die ja bereits zwei Fälle gemeinsam erfolgreich gelöst haben? Dieser hier freilich entwickelt eine ganz eigene Dynamik, denn bald kommen weitere Personen aus Sophies Umfeld zu Tode. Das Wien-Berliner Autorenpaar Petra Hartlieb und Claus-Ulrich Bielefeld hat einmal mehr eine Kriminalgeschichte geschrieben, die das Lokalkolorit beider Städte auf das Beste vereint. Wundervolle Unterhaltung!

Prädikat: ***

Helene Henke: Menschenfischer (Droemer)

In einem unzugänglichen Waldgebiet im Hunsrück werden zwei Kinder tot aufgefunden. Ihre Leichen sind bereits so stark verwest, dass die Gerichtsmedizinerin eine Expertin bittet, ihre Gesichter zu rekonstruieren, damit die Identität der beiden Mädchen festgestellt werden kann. Zoe Lenz, Spezialistin für Totenmasken und Deutschlands jüngste Bestatterin, übernimmt es zudem, die Toten für das Begräbnis herzurichten. Eines wird bald klar: Die Kinder wurden zu Tode gefoltert – und sie tragen seltsame Implantate. 
Haben sie vielleicht etwas mit einer seltsamen Sekte zu tun, die sich in einem einsamen Anwesen aufhalten soll, wie man munkelt? Als die Kinderleichen aus ihrem Kühlhaus verschwinden, geht Zoe auf die Suche nach Opfern und Tätern - ein gefährliches Abenteuer.

Prädikat: **

Freitag, 6. Februar 2015

Marita Spang: Hexenliebe (Knaur)

Wie schafft man Frauen beiseite, die zu klug, zu hässlich, zu schön oder aber auch einfach nur vermögend sind? Im 17. Jahr- hundert war das ziemlich einfach: Man sorgte dafür, dass die Leute, die störten, für Hexen oder aber Zauberer gehalten wurden. Und schon landeten sie auf dem Scheiterhaufen. Auch in der Eifelherrschaft Neuerburg, unweit von Trier, funktioniert dieses Verfahren trefflich, zumal der Landgraf die Hexenjagd durchaus unter- stützt. 
Seine Nichte, die junge Claudia von Leuchtenberg, sieht das Treiben der Ankläger mit Unbehagen. Als dann ihre Jugendfreundin Barbara verhaftet wird, ersinnt sie einen waghalsigen Plan. Doch wird es ihr gelingen, die Hexenjäger in die Flucht zu schlagen? Marita Spang ist ein facettenreicher Historienroman gelungen, der sich insbesondere auch durch ein beeindruckendes Figurenensemble auszeichnet. Und spannend ist das Buch obendrein. 

Prädikat: **

Sam Eastland: Der rote Sarg (Knaur)

Einmal mehr lässt Paul Watkins seinen Inspektor Pekkala im Auftrag Stalins ermitteln. Oberst Nagorski ist unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Die Lage ist prekär, denn man schreibt das Jahr 1939. Und der Ingenieur hat die Entwicklung des Panzers T-34 geleitet, von Spöttern auch „der rote Sarg“ genannt. Stalin wittert eine Verschwörung, und schickt seinen Sonderermittler aus. Pekkala kann bald bestätigen, dass es kein Unfall war. Bei aller Spannung und Exotik - aber Stalin zu einer Figur in einem Kriminalroman zu machen, auf eine solche Idee kann wirklich nur ein Amerikaner kommen...

Prädikat: *

Donnerstag, 5. Februar 2015

Su Turhan: Kruzitürken (Knaur)

Bauchtanz? Kommissar Pascha ist genervt. Dass Sohn Aydin bei einer internationalen Bauchtanzshow in der Kapelle mitspielt, ist ja in Ordnung – schließlich müssen Musiker Geld verdienen. Aber dass letztendlich zwei der Tänzerinnen tot in ihren Garderoben liegen, das weckt dann doch das Interesse von Zeki Demirbilek. Eigentlich sucht der Münchner Ermittler mit Migrations- hintergrund ja derzeit nach den Mördern eines Mannes, der als Kredithai verschrien war. Das Heroin, das sich so ganz nebenher im Bauchtanzkostüm angefunden hat, erscheint dem Leiter der Soko Migra jedoch spannend genug, sich gründlich mit dem Umfeld der Bauchtanztruppe zu beschäftigen. Spuren führen bis nach Istanbul. Auch in seinem dritten Roman um den knurrigen türkisch-bayerischen Ermittler setzt Su Turhan auf interkulturelle Konflikte. Es ist das Dasein der Helden zwischen Orient und Okzident, das diesem Krimi sein besonderes Flair gibt – und mitunter auch eine große Portion Komik. 

Prädikat: **

Sven Koch: Dünengrab (Knaur)

Dichter Nebel liegt über der Nordsee. Und in der Nacht geschehen in Werlesiel merkwürdige Dinge. Am nächsten Morgen ist ein junges Mädchen verschwunden. Eifrig sucht die Polizei in der Umgebung des kleinen Ortes an der friesischen Küste nach der hübschen Vikki – doch statt der Vermissten finden sie in den Dünen den Friedhof eines Serienmörders. Ein verstörender Kriminalfall um einen Täter, der nach außen hin völlig normal auftritt. Nicht einmal die Polizei ahnt, dass dieser nette Nachbar vollkommen irre ist – und das offenbar schon seit Jahrzehnten. Gruslig!

Prädikat: ***

Dienstag, 3. Februar 2015

Tatjana Kruse: Sticken, stricken, strangulieren (Knaur)

Kommissar a.D. Siegfried Seifferheld, leidenschaftlicher Sticker, ist schockiert. Da begegnet ihm doch mitten in der Stadt ein Typ, der sich als Arno Siegmann vorstellt – Stricker! Und der lädt ihn dann auch noch zu einer Vernissage ein. Beim Versuch, dem peinlichen Trara zu entrinnen, stolpert Seifferheld dann beinahe über eine skelettierte Leiche. Die Tote wurde mit einem Gürtel stranguliert, den eine auffällige Elvis-Presley-Schnalle ziert. Und weil sie offensichtlich schon etliche Jahre in der Cafeteria der Bausparkasse Schwäbisch Hall liegt, ist die Polizeichefin ausnahmsweise sehr erfreut darüber, dass sich der Kollege für den Fall interessiert. Die Fans von Tatjana Kruse dürfen sich freuen – denn auch dieser Krimi vereint wieder Spannung und Komik. Liebevoll zeichnet die Autorin ihre Helden und deren Macken – vom Männertrommeln bis hin zur Missionsreise der Pfarrer und ihrer Ehegattinnen in den tiefsten Osten, nämlich in die Uckermark, dorthin, wo bekanntlich die Neonazis hausen. Da bleibt kein Auge trocken.

Prädikat: ***

Antal Szerb: Reise im Mondlicht (dtv)

Ein junges Paar aus Ungarn geht auf Hochzeitsreise nach Italien. Doch schon bald stellen die Frischvermählten fest, dass sie sich gar nicht sehr viel zu sagen haben. Und als Mihály dann auch noch einem ehemaligen Schulkameraden begegnet, wird er von Erinnerungen an seine Jugendfreunde schier überwältigt. Mit feiner Ironie erzählt Antal Szerb, wie sich das Paar verliert, noch bevor es zu sich gefunden hat. Mihály träumt von seinen alten Freunden – doch was vorbei ist, das ist Vergangenheit. Ein kluges Buch über das Erwachsenwerden, mit all seinen Verlusten. 

Prädikat: ****

Montag, 2. Februar 2015

Kate Brady: Mädchen # 6 (Knaur)

Das Tatwerkzeug: eine rostige Garten- schere. Die Trophäe: eine Haarsträhne. Die Opfer: junge Frauen. Doch was haben die Morde mit illegalen Adoptionen zu tun? Polizistin Danielle verfolgt die Spur des Täters – und bemerkt fast zu spät, dass sie selbst auf seiner Liste steht. Ein atem- beraubender Thriller, mit einem überaus verblüffenden Finale. 

Prädikat: ***

Iny Lorentz: Flammen des Himmels (Knaur)

Stillenbeck im 16. Jahrhundert: Der berüchtigte Inquisitor Jacobus von Gerwardsborn trifft in der Stadt ein, um Wiedertäufer zu jagen. Der Rat der Stadt ist froh, dem unbarmherzigen Schlächter ein Opfer nennen zu können, und so gerät die Familie der jungen Frauke Hinrichs in dessen Hand. Nur knapp gelingt es Lothar, dem Sohn eines engen Vertrauten des Fürstbischofs von Münster, das Mädchen vor dem Scheiterhaufen zu retten. 
Als die Wiedertäufer ihre Anhänger nach Münster rufen, um dort das himmlische Jerusalem zu erschaffen, sehen Frauke und ihr Retter sich wieder. Doch statt das Himmelreich auf Erden errichten die Prediger dort eine brutale Dikatur, in der die Anführer schlemmen und das Volk hungert. Und vor den Mauern der Stadt ziehen die Söldner des Fürstbischofs auf. Gekonnt erzählen Iny und Elmar Lorentz ein spannendes Kapitel aus der deutschen Geschichte. Wenn Lothar als „Lotte“ spionieren geht, dann ist das schon sehr komisch. 

Prädikat: ***

Anselm Grün: Einfach nur Glück (Pattloch)

Wo findet man das Glück und wie kann man es festhalten, wenn man es gefunden hat? Anselm Grün OSB, ehemaliger Cellerar (wirtschaftlicher Leiter) des Klosters Münsterschwarzach, ist wohl der einzige Mönch mit eigener Webseite. Dort findet man nicht nur eine lange Liste mit Terminen von Workshops mit dem umtriebigen Benediktiner, sondern auch eine verblüffend lange Liste seiner Bücher. 
Wer aus diesem Buch Inspirationen für ein gutes Leben erhalten möchte, der sollte drei wichtige Eigenschaften mitbringen. Er sollte ein frommer Christ sein, und sehr gebildet – denn Grün springt munter von Bibelzitat zu Kirchenvater zu Philosoph, um sich verständlich zu machen. Und er sollte zudem eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen, denn sprachlich ist dieses Traktat nicht die reine Freude. 

Prädikat: --

Lioba Werrelmann: "Stellen Sie sich nicht so an!" (Knaur)

Lioba Werrelmann ist eine erfolgreiche Journalistin, angekommen im Olymp ihrer Zunft. Als Hauptstadtkorrespondentin für den WDR eilt sie von Termin zu Termin. Doch urplötzlich ist damit Schluss: Werrelmann leidet unter schweren Herzrhythmus- störungen. Aber es fällt selbst ihr nicht leicht, Ärzte zu finden, die helfen können. 
Jedes hundertste Kind in Deutschland wird mit einem Herzfehler geboren. Während diese Kinder noch in den sechziger Jahren zumeist nicht einmal ein Jahr alt wurden, werden sie nun dank der modernen Medizin fast alle erwachsen. Doch wirklich geheilt sind sie oftmals nicht, und so werden Hausärzte und Kardiologen mit einer völlig neuen Gruppe von Patienten konfron- tiert, auf die sie nicht vorbereitet sind. Nur wenige Spezialisten sind derzeit in der Lage, Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern zu behandeln. 
Ärzte, die keine Termine frei haben oder mit Blick auf ihr Budget notwendige Arzneimittel nicht verschreiben wollen, Auseinander- setzungen mit der Krankenkasse – Werrelmann stellt bald fest, dass es viel Kraft kostet, in Deutschland krank zu sein. Doch im Herzzentrum trifft sie auf andere EMAHs, die es noch viel schwerer haben. Und so wird aus einer zunächst etwas weinerlichen privaten Kranken- geschichte letztendlich eine Kampfschrift für eine rasant wachsende Patientengruppe, die derzeit noch keine Lobby hat. 

Prädikat: *

Samstag, 31. Januar 2015

Claudia und Nadja Beinert: Die Kathedrale der Ewigkeit (Knaur)

Naumburg im 11. Jahrhundert: Die Kathedrale ist vollendet. Noch arbeiten in dem Gebäude Handwerker an der Ausmalung. Doch Markgräfin Uta ahnt bereits, wie spektakulär der Innenraum aussehen wird, wenn alles fertiggestellt ist. Sie hofft zudem darauf, bald mit dem geliebten Hermann vereint zu leben. Hat ihr nicht die Kaiserin selbst zugesagt, die Auflösung ihrer Ehe mit seinem Bruder Ekkehard zu unterstützen? 
Doch dann kommt es auf der Baustelle zu seltsamen Zwischenfällen. Und Hermann verschwindet spurlos. Kurz darauf wird eine verstümmelte Leiche auf den Burghof gebracht, die seine Kleider trägt. Uta kann nicht glauben, dass Hermann für immer verloren ist, und macht sich auf die Suche nach der Wahrheit. 
Der Leser wiederum kann nicht glauben, dass diese Geschichte von Dr. Claudia Beinert und Nadja Beinert tatsächlich im Mittelalter spielt. Die Zwillingsschwestern, die beide Internationales Mana- gement studiert haben, haben Uta von Ballenstedt zur zentralen Figur ihres Romans gemacht. Ihre Statue kann man noch heute in der Reihe der Stifterfiguren im Naumburger Dom bestaunen. Damit es aber überhaupt etwas zu erzählen gibt – denn üblicherweise ist selbst über wichtige Persönlichkeiten jener Zeit sehr wenig bekannt – haben die Autorinnen viel Phantasie investiert. 
So haben sie sich Notburga und Bebette von Hildesheim ausgedacht, zwei intrigante Schwestern, die Uta das Leben schwer machen und dafür ohne Bedenken auch über Leichen gehen. In der Realität freilich wäre dies nicht so unkompliziert gewesen, zumal die Menschen damals bestrebt waren, keinen Schritt allein zu gehen. Und je höher im Rang, desto größer auch die Schar des Gefolges. Es sind viele kleine Details, die uns zeigen, dass es sich eher um einen Historien- als um einen historischen Roman handelt. Und die Handlung ist mitunter so vorhersehbar, dass man eher den Eindruck hat, eine Arbeit aus dem Kurs „Kreatives Schreiben“ vor sich zu haben, wo ein Student sich bemüht hat, zuvor skizzierte Handlungs- linien irgendwie mit den literarischen Figuren zu verknüpfen. Toll ist das nicht. 

Prädikat: --

Mittwoch, 28. Januar 2015

Iny Lorentz: Der weiße Stern (Knaur)

Dies ist die Fortsetzung der Auswanderer- saga des Münchner Autorenpaares Iny und Elmar Lorentz. Gisela und Walther sind auf ihrer Flucht aus Preußen in der mexika- nischen Provinz Tejas buchstäblich gestrandet. Sie bemühen sich, eine Landwirtschaft aufzubauen. Eines Tages stehen die gefürchteten Komantschen vor der Tür. Walther reagiert clever, und pflegt schließlich sogar Handelsbeziehun- gen mit den Indianern. Als Gisela einen Sohn zur Welt bringt, erweist sich dies als höchst hilfreich, denn er kann ihnen die junge Nizhoni abkaufen. Sie hat soeben ihr Kind verloren – und kann den kleinen Josef stillen. Schon bald verbindet die junge Indianerin eine tiefe Freundschaft mit Gisela. Doch das Glück der jungen Familie ist in Gefahr. Denn nicht alle sind damit einverstanden, dass sich die Siedler in Tejas nieder- lassen.

Prädikat: **

Rita Falk: Griessnockerlaffäre (dtv)

In Landshut, im Polizeihof, wird ein Polizist aufgefunden, mit durchgeschnittener Kehle. Der Letzte, der mit Barschl zu tun hatte, war Franz Eberhofer. Dummerweise war der Tote sein Vorgesetzter, die Tatwaffe sein Hirschfänger – und sämtliche Kollegen wissen, dass sich die beiden nicht ausstehen konnten. Und so kommt es, dass Eberhofer durch das SEK geweckt wird. Der vierte Fall, den sich Rita Falk für ihren Kommissar aus der bayerischen Provinz ausgedacht hat, ist ziemlich verzwickt. Und obendrein steht im heimischen Niederkaltenkirchen plötzlich ein freundlicher älterer Herr vor der Tür: Paul ist die verloren geglaubte Jugendliebe von Oma Magdalena. 

Prädikat: **

Lena Johannson: Haus der Schuld (Knaur)

Einmal mehr stellt Lena Johannson eine starke Frau in den Mittelpunkt eines Romans, durch den ebenfalls einmal mehr ein kräftiger Seewind bläst. Dabei sind die Träume der Heldin Amali höchst bescheiden: Nicht mehr hinter der Käsetheke stehen, sondern einen hübschen kleinen Hofladen führen, mit einer Bistro-Ecke. Für eine junge Dame, die immerhin BWL studiert und dann noch eine Ausbildung im Bio-Landbau gemacht hat, erscheint dies nicht übermäßig ehrgeizig. 
Dann stirbt ihr Vater, und im Nachlass findet Amali Dokumente zur Familiengeschichte, die sie neugierig machen und zugleich verstören. Denn ihre Vorfahren sind vor über hundert Jahren nach Afrika ausgewandert. Und es ist auch kein Zufall, dass sie später nach Deutschland zurückgekehrt sind. Ihr Hab und Gut haben sie erneut eingebüßt. Und immer hat ein von Eichenbaum dabei die Finger im Spiel. Schließlich reist Amali nach Afrika, denn sie will Klarheit – und Gerechtigkeit. Ein faszinierendes Buch zur deutschen Kolonial- geschichte; nur schade, dass die Autorin auf den Zuckerguss nicht verzichten kann. Der Titel deutet es ja bereits an. Und so steht am Ende natürlich ein netter junger Anwalt bereit, mit der Heldin auf Land zu ziehen. In der Realität wäre der Traum von der selbst- gemachten Marmelade wohl an der Finanzierung gescheitert: Einmal Käse, immer Käse. 

Prädikat: *

Dienstag, 27. Januar 2015

Andreas Föhr: Totensonntag (Knaur)

Mit diesem Krimi berichtet Andreas Föhr über die Anfänge seines erfolgreichen Ermittlerduos: Im Herbst 1992 war Clemens Wallner frischgebackener Kriminal- kommissar. Bei einem Besäufnis auf einer Berghütte am Tegernsee, zu dem sein junger Kollege Leonhardt Kreuthner ihn mitgenommen hatte, geraten beide in ein Geiseldrama. Der Geiselnehmer kommt dabei ums Leben, doch mit seinen letzten Worten schickt er Wallner auf die Suche nach einem Mordopfer, das seit vielen Jahren in der Gruft von Sankt Veit liegen soll. So findet Kreuthner schließlich seine erste Tote – ein Skelett in einem edelsteinbesetzten Sarg mit einer Kugel im Schädel. Föhr schickt seine Leser auf die Spuren einer dramatischen Geschichte, die sich in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs ereignet hat. Dummerweise reichen sie bis in die Gegenwart. 

Prädikat: ***

Iny Lorentz: Das goldene Ufer (Knaur)

In der Schlacht von Waterloo rettet der junge Walther seinem Kommandeur das Leben. Zum Dank nimmt dieser sich des Waisenjungen an – ebenso wie der kleinen Gisela, deren Vater im Kampf fiel. Beide wachsen von nun an in seinem Haushalt auf – sehr zum Unwillen der Gräfin sowie des Grafensohnes. Nach dem Studium, das er an der Seite des jungen Grafen absolvieren darf, spart Walther jeden Groschen, denn sein Ziel steht fest: Er will nach Amerika, und zwar gemeinsam mit seiner Frau Gisela. Doch schneller als geplant bleibt dem Paar nur die Flucht. 
Mit diesem Roman, der leider mitunter etwas holzschnittartig erzählt ist, beginnt die neue Auswanderersaga der Erfolgsautoren. Iny und Elmar Lorentz machen zugleich ein interessantes Kapital aus der Geschichte der Vereinigten Staaten zu ihrem Thema - auf die Fort- setzung darf der Leser also gespannt bleiben. 

Prädikat: **

Montag, 26. Januar 2015

Susanne Schädlich: Herr Hübner und die sibirische Nachtigall (Droemer)

Susanne Schädlich erzählt in diesem Roman zwei reale Biographien aus der DDR. Sie beginnt im Jahre 1948. In Dresden, in einem Gefängnis der sowjetischen Militäradmini- stration, verständigen sich zwei Gefangene mit Hilfe von Klopfzeichen durch die Zellenwand: Dietrich Hübner (21), engagiertes Mitglied der Liberaldemo- kratischen Partei, und Mara Jakisch (43), Operettensängerin und Filmschauspielerin. 
Nach Kriegsende hatten beide große Pläne. Mara Jakisch wollte zurück auf die Bühne. Hübner trat ein für Freiheit und Demokratie – ein gefährliches Unterfangen in der Sowjetischen Besatzungszone, wo die Diktatur des Proletariats Staatsdoktrin ist, und politische Gegner gnadenlos ver- folgt werden. Die Anklage: Spionage für die westlichen Besatzungs- mächte. Das Urteil: Jeweils 25 Jahren Arbeitslager. 
Hübner hatte vergleichsweise Glück, er kam erst nach Bautzen, dann nach Brandenburg-Görden. Mara Jakisch wurde abtransportiert nach Sibirien. Damals verloren viele ihr Leben. Jakisch aber kehrte aus dem Gulag zurück, und auch Hübner wurde letztendlich aus der Haft entlassen. Beide entschieden sich für die Bundesrepublik. Mara Jakisch ging zunächst wieder singen, aber sie fühlte sich dabei nicht mehr wohl und suchte sich einen Bürojob. Sie wird über hundert Jahre alt. Es wird ein einsames Alter. Dietrich Hübner gelingt es, Karriere in der Politik zu machen. Er bringt es bis zum Ministerialrat. 

Prädikat: ***

Christoph Peters: Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln (Luchterhand)

Lange hat Ernst Liesgang nach dem passenden Ort gesucht – und sich schließlich für Rensen, ein verschlafenes Dorf an der Ostsee, entschieden. Der Keramikkünstler, nach etlichen Lehrjahren in Fernost wieder zurück in der Heimat, will im Hof des alten Pfarrhauses nach alter Tradition einen Anagama-Brennofen errichten lassen. Und einmal mehr hat Liesgang Glück, denn es gelingt ihm, Tatsuo Yamashiro, einen der erfahrensten und angesehensten Ofensetzer Japans, für diese Aufgabe zu gewinnen. 
Und so reist der Handwerker aus dem Land der aufgehenden Sonne im Frühjahr 1989 in die deutsche Provinz, umsorgt von einem ganzen Tross japanischer Helfer. Auf dem platten Lande begegnen sich zwei grundverschiedene Kulturen – was nicht frei von Komik ist. So entdeckt Herr Yamashiro, sehr zum Entsetzen seiner Köchin, dass ihm Mettbrötchen, Rotkohl, Schnitzel und Kartoffeln ganz hervorragend schmecken. Selbst für den Schnaps, den Wirtin Herta Mölders im Gasthaus „Pit's Schollenkutter“ ausschenkt, kann sich der Ofen-Spezialist begeistern. 
Die Eingeborenen hingegen beobachten fasziniert die japanischen Zeremonien. Denn die Gäste unterscheiden sich sowohl in ihrem Verständnis von Kunst und als auch ihrer Lebensauffassung erheblich von dem, was den Deutschen vertraut ist. Das zeigt sich in einer urkomischen Szene beim Zoll, wenn der Beamte die kostbaren Teeschalen des japanischen Meisters für Hobbytöpfereien hält. Das wird besonders sichtbar, wenn Liesgang örtliche Handwerker in das Projekt mit einbindet. Selbstverständlich setzen sie ihren ganzen Ehrgeiz daran – und sind den Japanern darin näher, als sie ahnen. Christoph Peters gelingt mit diesem Roman erneut eine federleichte Komödie über das Zusammentreffen zweier Kulturen. Es ist zugleich ein wundervolles Buch darüber, was möglich wird, wenn sich Menschen für ein gemeinsames Ziel engagieren. Die Geschichte erweist sich darüber hinaus als eine Parabel über den Wert des Handwerks. Unbedingt lesen!  

Prädikat: ****

Dienstag, 20. Januar 2015

Su Turhan: Bierleichen (Knaur)

Beim Bier versteht der Münchner keinen Spaß. Erst recht nicht, wenn eine renommierte Münchner Privatbrauerei an einen Türken verkauft wird, der den Standort verlagern und zukünftig in Istanbul  Bier nach deutschem Rein- heitsgebot brauen will. 
Und dann wird aus dem Wittelsbacher Brunnen eine Bierleiche gefischt. Ein türkischer Student, der Zeugenaussagen zufolge niemals Alkohol trinkt, mit
3,2 Promille – Kommissar Zeki Demirbilek von der Soko Migra, für Fälle mit Migrationshintergrund, ist alarmiert. Zumal es bei der einen Leiche nicht bleibt. Und so schaut sich die Polizei die Brauerei etwas genauer an, und findet da etliche Ungereimtheiten. Su Turhan bietet dem Leser in seinem Krimi ein Vexierspiel um kulturelle Differenzen. Da ist nichts so, wie es zunächst erscheint. Die Wahrheit aber ist in diesem Falle erstaunlich banal, wie man am Ende überrascht feststellen wird. 


Prädikat: **

Montag, 19. Januar 2015

Karen Benedikt: Die Kerzenzieherin (Knaur)

Burg Isenberg, im Jahre 1225: Zwei Novizinnen bringen Waren aus dem Kloster, und werden dabei zufällig Zeugen einer Verschwörung gegen den Erzbischof von Köln. Nur Ellin gelingt es, zu fliehen. Doch bald muss sie feststellen, dass die Schergen des Grafen ihr folgen. Selbst im fernen Bremen, wo sie als Kerzenzieherin ein Auskommen findet, ist Ellin nicht außer Gefahr. Und so reist die junge Frau weiter, nach Hamburg und dann nach Lübeck. Dort findet sie Unterstützung – und eine Familie. Ein gelungener historischer Roman, auch wenn man so manches Detail wahrscheinlich besser nicht hinterfragt. Aber die Handlung ist spannend, und Caren Benedikt erzählt souverän und sprachlich sehr ansprechend. 

Prädikat: **

Sonntag, 18. Januar 2015

Tatjana Kruse: Gestickt, gestopft, gemeuchelt (Knaur)

Siggi Seifferheld, ehemals Polizist, nun im Vorruhestand, hat allerlei auszuhalten. Statt friedlich mit seinem Hund Onis spazierenzugehen und in Ruhe daheim zu sticken, muss er sich mit der Damenwelt herumärgern. Tochter Susanne will heiraten, Nichte Karina ist noch immer unvermindert rebellisch, und Schwester Irmgard, Spitzname „Die Generalin“, ist vor ihrem Ehemann, Pastor Helmerich Hölderlein, geflüchtet, weil dieser wieder einmal im Gottesdienst trommeln will. 
Da wird der Mord an zwei jungen, hübschen Schauspielerinnen fast zur Nebensache. Schwäbisch Hall freilich ist eine kleine Stadt, und so schaut Seifferheld quasi im Vorübergehen nach dem Sachstand. Tatjana Kruse hat einmal mehr einen charmanten Krimi um ihren knorrigen Helden geschrieben – dem Leser zur Freude. 

Prädikat: ***

Katharina Münk: Die Insassen (dtv)

Was machen Manager in einer Nervenklinik? Klarer Fall: Zuerst suchen sie sich eine Chefsekretärin. Und dann bringen sie die Anstalt auf Kurs – und an die Börse. Im Zeitalter der digitalen Kommunikation und mit den entsprechenden Kontakten ist das kein Problem, wie der Leser schmunzelnd feststellen wird. Eine bitterböse Satire, die deutlich zeigt, wie abgehoben doch so manches Topmanagement agiert. Eine gute Story, die die Börse begeistert, muss wohl nicht zwangsläufig etwas mit der Unternehmensrealität zu tun haben. Die Autorin, die hier unter Pseudonym agiert, weiß offensichtlich genau, wovon sie schreibt. Selten so gelacht.

Prädikat: ****

Sam Eastland: Sibirisch Rot (Knaur)

Paul Watkins' dritter Kriminalroman mit dem Helden Inspektor Pekkala, einst Auge und Ohr des Zaren, nunmehr in geheimer Mission unterwegs für Josef Stalin. Diesmal wird er ausgeschickt, das Gold des Zaren aufzuspüren – in das Arbeitslager Borodok, nach Sibirien, dorthin, wo er als Gefangener lange Jahre verbracht und überlebt hat. Schon die erste Szene, in der Stalin auf den Einmarsch der Deutschen in Polen mit einem veritablen Wutanfall reagiert, macht deutlich, dass es hier weniger um Geschichte geht als um unglaubliche Geschichten. Den Genossen Stalin zur Figur in einem Kriminalroman zu machen – auf eine solche Idee kann wirklich nur ein Amerikaner kommen....

Prädikat: *

Ursula Niehaus: Die Stadtärztin (Knaur)

Ursula Niehaus erzählt in diesem Roman die Lebensgeschichte der Agathe Streicher. Obwohl die Ulmer Bürgerstochter nie eine Universität besucht hat – Frauen waren im 16. Jahrhundert vom Studium ausgeschlossen – war es ihr gelungen, sich ein umfassendes medizinisches Wissen anzueignen. Davon ließ sie sich auch durch Anfeindungen und Neider nicht abbringen. Ihre Erfolge sprachen sich bald herum, so dass wichtige Persönlichkeiten bei ihr um Rat und Hilfe nachsuchten, darunter sogar der Bischof höchstselbst. Damit wurde das „Medizinieren“ zum Politikum. 1561 gestattete es die Stadt der Streicherin schließlich, den Arzteid abzulegen und auch offiziell zu praktizieren. Eine interessante Geschichte aus einer Zeit, in der in Deutschland heftig um den rechten Glauben und ein gottgefälliges Leben gestritten wurde. 

Prädikat: **

Samstag, 17. Januar 2015

Karen Rose: Todesschuss (Knaur)

Auf Detective Stevie Mazzetti wird geschossen. Das könnte daran liegen, dass sie damit begonnen hat, alte Fälle aufzuarbeiten, die ein korrupter Cop einst im Sinne der Reichen und Mächtigen geregelt hat. Als aber die unbekannten Heckenschützen auch ihre Tochter ins Visier nehmen, gerät Mazzetti in Panik. Denn vor acht Jahren hat ein Unbekannter ihren kleinen Sohn und ihren Mann erschossen, bei einem Überfall auf einen Laden. 
Privatermittler Clay Maynard, der schon seit langem ein Auge auf die Polizistin geworfen hat, versucht, Stevie und ihre Tochter Cordelia in Sicherheit zu bringen. Doch beide wissen: Die Mordversuche werden erst dann enden, wenn der Auftraggeber der Killer aufgespürt ist. Alle Spuren weisen in die Vergangenheit. Und einmal mehr hängt alles irgendwie zusammen. Es ist wie ein kompliziertes Puzzle – und je vollständiger das Bild wird, desto schlimmer wird es, zumal Mazzetti feststellen muss, dass Mann und Sohn seinerzeit keineswegs zufällig Opfer eines Verbrechens wurden. Karen Rose hat ihre Fans einmal mehr mit einem Wälzer beglückt, der einem besser nicht auf den Fuß fallen sollte – doch die mehr als 700 Seiten lesen sich rasant weg. Dieses Buch ist tatsächlich so spannend, dass man es gar nicht mehr weglegen möchte. Gekonnt inszeniert die Autorin die diversen Handlungsstränge, die sie nach und nach zusammenführt, bis zum Finale – das in diesem Falle den Leser aber nicht mehr überrascht. 

Prädikat: ***

Freitag, 16. Januar 2015

Iny Lorentz: Die List der Wanderhure (Knaur)

Den heiligen Gral wollen sie erjagen, die seltsamen Ordensritter um Leopold von Gordean. Vom Besitz dieser Reliquie verspricht sich der Großmeister die Anerkennung seines wilden Haufens – und jede Menge Macht, Güter und die höchsten Ämter. Weil Gordeanus vermutet, dass der Gral in einem einsamen Kloster, tief im Wald verborgen, versteckt ist, fallen die Männer über die dort lebenden Nonnen her. 
Novizin Justina gelingt es, ihnen zu entkommen. Im Auftrag von Äbtissin Isabelle de Melancourt will sie sich zum Würzburger Fürstbischof durchschlagen, um Hilfe zu erbitten. Dabei hätten sie beinahe die Schergen des Großmeisters getötet – doch dann greifen Marie, die ehemalige Wanderhure, und ihr Mann Michel ein. Sie können auch die Schwestern befreien. Einige Hammerkreuzler allerdings sind entkommen. Routiniert schicken die Autoren ihre Helden auf eine rasante Wettreise. Schließlich sind es sogar drei Trupps, die den Spuren des Grals folgen. Die Geschichte wird gekonnt erzählt - und sie bleibt spannend bis zum überaus verblüffenden Ende. 

Prädikat: ***

Rita Falk: Sauerkrautkoma (dtv)

Sie sind urkomisch, die Provinzkrimis von Rita Falk. Ihr Held, Franz Eberhofer, kommt vom Lande – und so ist er auch unterwegs. Man staunt immer wieder, wie es ihm gelingt, kaum ein Fettnäpfchen auszulassen, und die Mörder trotzdem zu erwischen. Und weil er daheim, in Niederkaltenkirchen, so erfolgreich war, wurde er nun nach München versetzt. 
Das Leben in der Hauptstadt aber behagt dem Eberhofer wenig. Ohne die langen Spaziergänge mit Ludwig, seinem Hund, ohne Einkehr in der Stammkneipe und ohne die Kochkünste seiner Oma ist das Leben nur halb so schön. Da wird Mord glatt zur Nebensache (auch wenn Eberhofer selbstverständlich die Täter findet, auch in München!) Alles geht schief, zum Schluss sogar die eigene Hochzeit. Wenn man darüber dennoch herzhaft lachen kann, dann liegt das an den Fabulier- und Formulierkünsten der Autorin. Köstlich! 

Prädikat: ***

Donnerstag, 15. Januar 2015

Walter Kempowski: Somnia (Knaus)

Er könne gar nicht begreifen, sagte Walter Kempowski einmal, dass es Schriftsteller gebe, die kein Tagebuch führen. Dieses Buch macht deutlich, welche Bedeutung die täglichen Notizen für den Autor hatten. Zum einen halfen sie Kempowski bei der Bewältigung des Alltags mit seinen kleinen und größeren Zwischenfällen und Katastrophen. Diese finden sich daher auch akribisch verzeichnet, und mit Hilfe der literarischen Form schon quasi gebannt. Er berichtet von seinen täglichen Verrichtungen, von seinen Reisen und über Gäste. Zum anderen geben die Tagebucheinträge einen faszinierenden Einblick in die Werkstatt des Schriftstellers, seine Empfindungen und seine Gedankenwelt. Oftmals notierte Kempowski seine Träume – was dem Band dann wohl auch seinen Titel gab.  Die Aufzeichnungen aus dem Jahre 1991 brechen am 21. Dezember 1991 ab. An diesem Tage wurde Gorbatschow durch Jelzin abgelöst. Und Kempowski erlitt einen Schlaganfall. „Somnia“ ist das letzte Werk, das der Schriftsteller fertigstellen konnte. 

Prädikat: ****

Klüpfel/Kobr: Grimmbart (Droemer)

Kluftingers neuer Fall bringt den Kommissar an Grenzen. Denn die Frau eines Barons wurde ermordet, und mit ihrer Leiche wurde dann ein altes Familienporträt nachgestellt. Auch sonst findet Kluftinger das Schloss in Bad Grönenbach und seine Bewohner eher befremdlich. Warum beispielsweise verschwindet der Baron immer wieder im schlosseigenen Märchenwald? Wieso sind die Adligen eigentlich nur noch Gäste im ehemals eigenen Haus? Und welche Rolle spielt der Mann mit den seltsamen gelben Augen? 
Auch privat steht Kluftinger vor interkulturellen Abgründen. Denn sein Sohn heiratet, und zur Feier reisen selbstverständlich die Eltern der Braut aus Japan an. Andere Länder – andere Sitten; da sind Missverständnisse nicht zu vermeiden. Der Leser kommt aus dem Schmunzeln kaum heraus, so wirkungsvoll inszenieren Volker Klüpfel und Michael Kobr die Begegnung von japanischen und deutschen Bräuchen. Ach ja, der Mörder wird natürlich auch noch gefunden. Aber so komisch war schon lang kein Krimi mehr. 

Prädikat: ****

Mittwoch, 14. Januar 2015

Karen Rose: Todeskind (Knaur)

In diesem Thriller erzählt Karen Rose die Geschichte von Staatsanwältin Daphne Montgomery. Sie ist als Kind entführt worden, und erlebt nun ein Déjà-vu. Genau das soll sie auch, denn es gehört zum Racheplan eines jungen Mannes, der Montgomery beschuldigt, sie habe einst seine Mutter in den Tod getrieben. Und wäre da nicht Joseph Carter vom Violent Crimes Enforcement Team, der seine ganz persönlichen Gründe hat, auf die Juristin aufzupassen – wer weiß, wie dieser Krimi ausgegangen wäre. Karen Rose erweist sich einmal mehr als Meisterin des Storytelling. Wie sie Handlungsstränge anlegt, verfolgt und auserzählt, und dabei ganz nebenher das Personal für zukünftige Bücher einführt, das ist sehr beeindruckend. 

Prädikat: ****

Dienstag, 13. Januar 2015

Sven Koch: Dünentod (Knaur)

Ein offfenkundig Irrer hat an seinem Geburtstag erst seine Eltern umgebracht, und kapert dann eine voll besetzte Nordseefähre, um sie ins Nichts zu steuern. Sven Koch stellt mit diesem zweiten Fall das ostfriesische Ermittlerduo Tjark Wolf und Femke Folkmer vor eine Heraus- forderung. Denn die Zeit läuft. Und der Verrückte hat sich auf das Massaker allem Anschein nach sorgsam vorbereitet. Wer aber ist der Mann ohne Fingerabdrücke, und welche Rolle spielen die beiden örtlichen Motorradclubs hier? Ein spannender Krimi, mit einer kräftigen Portion Lokalkolorit. 

Prädikat: ***

Sonntag, 11. Januar 2015

Perri Knize: Der verlorene Klang (dtv)

Nach langer Pause hat Perri Knize wieder angefangen, Klavier zu spielen. Zum Üben sucht sie nach einem Instrument – lange und gründlich, denn die Journalistin wünscht sich nicht nur exzellente Spielbarkeit, sondern vor allem auch einen guten Klang. Wer jemals ein Klavier gekauft hat, der weiß, wie schwierig eine solche Suche sein kann. Doch Knize findet „ihren“ Flügel. Es ist, sozusagen, Liebe auf den ersten Ton. Denn der volle, warme Klang, der Knize an die Stimme Marlene Dietrichs erinnert, erscheint ihr unvergleichlich. Doch als Marlene dann bei ihr zu Hause eintrifft, ist dieser magische Klang – verschwunden! Und kein Klavierstimmer ist in der Lage, ihn stabil wiederherzustellen. Dummerweise hat Knize, als Tochter eines Berufsmusikers, ein sehr gutes Gehör. Und sie setzt alles daran, den Zauber zurückzuge- winnen, den das Instrument ursprünglich hatte. 
In diesem Buch beschreibt sie ihre Suche nach dem verlorenen Klang. Es ist, zugegebenerweise, ein Luxusproblem, mit dem sie leidenschaftlich ringt – und man fragt sich schon, ob es sich lohnt, endlos Zeit und natürlich auch sehr viel Geld dafür zu investieren. Doch dann liest man von Knizes faszinierenden Begegnungen mit all den Klavierspezialisten, und man stellt erstaunt fest, wie viele Wege es gibt, die aber allesamt nicht zum Ziel führen. Man ahnt bald, wieso ein Klavier klingt, wie es klingt. Doch man begreift auch, was für ein Mysterium der Klang an sich ist. 
Der Leser folgt Knize sogar quer durch Europa: In Österreich beobachtet sie, wie die Fichten gefällt werden, aus denen schließlich der Resonanzboden eines Klaviers entstehen wird. Und in Braunschweig, bei Grotrian-Steinweg, verfolgt sie, wie die Instrumente gebaut werden. Für Marlene findet sich letztendlich eine Lösung. Eine spannende Reise, mit überaus verblüffenden Konsequenzen – und ein überraschend kluges Buch über Musik. 

Prädikat: ****