Freitag, 9. Dezember 2016

Plätzchen, Punsch und Psychokiller (Knaur)

Ein Krimi-Adventskalender? Mit „Plätzchen, Punsch und Psychokiller“ hat der Knaur Verlag auch in diesem Jahr wieder alles vorbereitet für eine mörderische Advents- zeit. In 24 Kurzkrimis von Sylt bis nach Füssen im Ostallgäu und von Wien bis nach Berlin erhält der Sensenmann tatkräftige, mitunter auch sehr verblüffende Unter- stützung. Und wem zu früh der Lesestoff ausgeht, der kann notfalls auf „Türchen, Tod und Tannenbaum“ zurückgreifen – denn auch im vergangenen Jahr hat Knaur eine Sammlung mit 24 erstklassigen Weihnachtskrimis veröffentlicht. 
Nicht alle Autoren sind prominent, aber diese Kurzkrimis haben durchweg Klasse. Dem Verlag ist das Kunststück gelungen, erneut witzige, rabenschwarze, mit einschlägigen Klischees souverän spielende Geschichten aufzuspüren, mit tödlicher Pointe. Na dann – frohe Weihnachten!

Prädikat: ****

Mittwoch, 7. Dezember 2016

Kiera Brennan: Die Herren der Grünen Insel

Ein Roman der Superlative: Knapp tausend Seiten, so viele Helden, dass man zu tun hat, den Überblick zu behalten, ein gutes Dutzend Schauplätze – und sechs Jahre Krieg. Julia Kröhn erzählt, unter ihrem Pseudonym Kiera Brennan, in diesem grandiosen Historienepos von der Normannen-Invasion in Irland. Alles ist hier groß – die Gewalt, der Hass, und das Blut- vergießen. Nur die eroberten Ländereien, die bleiben winzig. 
Dieses Buch fühlt sich an, als wäre man in eine gruslige Fantasy-Saga geraten. Das ist kein Wunder, denn die Männer, über die berichtet wird, falls nicht Barden oder Priester, sind roh und vom Kampf abgestumpft. Im zwölften Jahrhundert hatte Irland viele kleine Herrscher, die sich unermüdlich bekriegten. Doch während die irischen Recken mit Leidenschaft ihre Machtkämpfe als langjährige Fehden untereinander ausfechten, fällt Henry Plantagenet, Herzog der Normandie und König von England, mit seinen Truppen im Osten Irlands ein. Die Autorin schreibt gekonnt, sie schildert das Geschehen drastisch und dramatisch. Mit der Geschichte der Grünen Insel hat sie sich offenbar gründlich beschäftigt, und ihre Beschreibungen von Städten und Landstrichen zeugen von zahlreichen Reisen durch Irland. Der Leser darf gespannt sein, ob es irgendwann eine Fortsetzung geben wird. Zu erzählen jedenfalls wäre noch einiges. 

Prädikat: ****

Jürgen Schäfer: Die Krankheitsermittler (Knaur)

Dieses Buch berichtet über die Arbeit des Zentrums für unerkannte Krankheiten an der Universitätsklinik Marburg. Die Patienten, um die Professor Jürgen Schäfer und seine Mitarbeiter sich kümmern, haben oftmals eine lange Leidensgeschichte hinter sich. Sie wurden von Arzt zu Arzt geschickt – doch herausgefunden, was ihnen wirklich fehlt, haben erst die Marburger Experten. 
Wo andere Ärzte keinen Rat wissen, beginnen sie noch einmal mit der Suche nach Ursachen. Dabei schauen sie vielleicht etwas gründlicher hin als der gestresste Hausarzt in seiner Praxis. Und auch die enge Zusam- menarbeit der unterschiedlichsten medizinischen Fachrichtungen zahlt sich aus, wie der Leser schnell feststellt. 
Schäfer erzählt beispielsweise vom Personalvorstand einer Großbank, der ständig einschlief, vom Automechaniker, der ausgiebige Bäder in seiner prächtigen alten Badewanne liebte – und sich dabei dummer- weise eine chronische Bleivergiftung zuzog – und von der Bäuerin, die ihren Kuhstall zusperrte und in die Stadt umzog. Dort wurde sie allerdings bald von seltsamen Krampfanfällen geplagt. Für diese Menschen sind der Professor und seine Mitarbeiter die letzte Hoffnung – und oftmals gibt es für die hochkomplexen Krankheitsbilder eine ganz einfache Erklärung. Spannend wie ein Krimi, und wunderbar geschrieben! 

Prädikat: ****

Montag, 21. November 2016

Louise Jacobs: Louise sucht das Weite (Knaur)

Sie stammt aus einer Kaffee-Dynastie, hat alles, was man sich wünschen kann – und fühlt sich dennoch wie im falschen Leben. Louise Jacobs ist in besten Zürcher Kreisen aufgewachsen, und sie lebt nun, schriftstellernd, in Berlin. Doch sie träumt von einem Leben als Cowboy, und irgendwann macht sich auf den Weg nach Amerika: Einmal Glücklichsein, bitte, diesmal ohne Rückflug in die Heimat! Der zweite Versuch scheint dann zu gelingen. Louise Jacob ist immer noch kein Cowboy, aber sie hat einen viermonatigen Hufbeschlagslehrgang an der Cornell University erfolgreich abgeschlossen, und einen Hufschmied geheiratet. Wir gratulieren! Und wir hoffen, dass sie jetzt keine Bücher mehr schreiben muss. 

Prädikat: **

Mittwoch, 16. November 2016

Iny Lorentz: Das Mädchen aus Apulien (Knaur)

Pandolfina, Tochter einer Sarazenen-Prinzessin und eines apulischen Grafen, entkommt nur knapp einem Überfall ihres Nachbarn. Nach dem Tod ihres Vaters hat dieser keine Sekunde gezögert, die Burg an sich zu bringen. Dann versucht er, Pandolfina zur Heirat zu zwingen. Das Mädchen sucht Zuflucht am Hof des Kaisers. 
Das Bestseller-Autorenpaar Iny Lorentz zeigt in diesem historischen Roman exemplarisch an einem Frauenschicksal des 13. Jahrhunderts, wie Politik Entscheidungen erzwingt und Lebens- wege verändert. Dem eigentlichen Helden dieser Geschichte, dem Staufer-Kaiser Friedrich II., bleibt oft verblüffend wenig Spielraum. Erzählt wird phantasievoll und routiniert. 

Prädikat: **

Dienstag, 15. November 2016

Mareike Marlow: Blutroter Flieder (Knaur)

Und noch ein Krimi aus Burgheide, irgend- wo zwischen Lüneburg und Bremen. Noch immer teilen sich die Halbschwestern Tessa und Jana – 30 Jahre Altersunterschied, in Berlin aufgewachsen die eine, in Burgheide tief verwurzelt die andere – das vom Vater ererbte Haus am See. Doch das ländliche Idyll hat seine Abgründe. Was recht deut- lich zutage tritt, als die Besitzerin eines Gestütes bei einem Ausritt ums Leben kommt. Zunächst wird ein Unfall vermutet – aber nicht lange, denn die Umstände sind doch zu merkwürdig. Mareike Marlow, eigentlich Marion Meister, hat erneut eine spannende Geschichte um das ungleiche Schwesternpaar zu Papier gebracht und mit köstlichen Backrezepten angereichert. Liebe Autorin – unbedingt weitermachen! 

Prädikat: ***

Montag, 14. November 2016

Rita Falk: Leberkäsjunkie (dtv)

Die Cholesterinwerte vom Eberhofer sind zu hoch, und seine Laune ist absolut im Keller. Das liegt nicht nur daran, dass ihm die Oma auf Weisung von Doktor Brunnermeier derzeit Grünzeug statt Fleischpflanzerln auftischt. Obendrein macht die Susi Stress, denn für den Kontakt von Baby Paul mit seinem Vater fordert sie Zuverlässigkeit. Als wäre das noch nicht genug, brennt es auch noch bei der Mooshammer Liesl – und in dem verkohlten Fremdenzimmer findet sich eine Brandleiche. Dummerweise wohnt bei der Liesl auch Buengo, die große Hoffnung des FC Rot-Weiß Niederkalten- kirchen. Als der angolanische Fußballer unter Mordverdacht gerät, nimmt der Eberhofer Franz die Ermittlungen auf. Rita Falk hat, in bewährt launigem Stil, einen weiteren Krimi geschrieben, in dem der Dorfpolizist diesmal einen besonders kniffligen Fall zu lösen hat. Kult! 

Prädikat: ***

Freitag, 11. November 2016

Andreas Föhr: Eisenberg (Knaur)

Eine neue Ermittlerin betritt die literarische Bühne: Dr. Rachel Eisenberg heißt die neue Heldin der Krimis von Andreas Föhr. Sie ist Strafverteidigerin, Mitinhaberin einer ange- sehenen Münchner Rechtsanwaltskanzlei, frisch getrennt und Mutter einer 13jährigen Tochter. Und ihr jüngster Fall bringt sie in arge Bedrängnis – auch wenn es zunächst gar nicht danach aussieht. Denn Eisenberg kümmert sich um einen Obdachlosen, der einen brutalen Mord begangen haben soll. Der Mandant freilich ist der Anwältin bekannt, wie sie bald feststellt; er war früher Professor. Doch nicht nur beruflich ist er aus der Spur geraten. Das allerdings hätte die Juristin beinahe zu spät bemerkt. Ein clever erzählter Krimi – spannend bis zur letzten Zeile. 

Prädikat: ****

Donnerstag, 10. November 2016

Sam Eastland: Roter Zorn (Knaur)

Eigentlich gilt Inspektor Pekkala als tot: Er sollte den Abtransport des Bernstein- zimmers verhindern, und dabei soll er mit verbrannt sein. Stalin freilich glaubt nicht daran, und auch Major Kirow, Pekkalas Assistent, hat seine Zweifel. Auf Befehl des Diktators muss Kirow schließlich an die Front, um Nachforschungen anzustellen. Alle Spuren weisen in die Ukraine – mitten hinein in einen Partisanenkrieg, in dem nicht nur gegen die Deutschen gekämpft wird. 
Sam Eastland ist ein Pseudonym von Paul Watkins, Jahrgang 1964. In seinen Krimis um Inspektor Pekkala, der ursprünglich dem Zaren diente, schreibt der amerikanische Schriftsteller über Dinge, von denen er nicht viel Ahnung hat. Doch mit jedem Buch kommt er Zeitzeugenberichten näher, und seine Geschichten werden immer besser und spannender. Der Leser freut sich daher über die Rückkehr des Smaragdauges – und auf den nächsten Band. 

Prädikat: ***

Freitag, 4. November 2016

Bernardo Minier: Wolfsbeute (Droemer)

Zu Weihnachten erhält Radio-Moderatorin Christine Steinmeyer einen verstörenden Brief. Zunächst glaubt sie an einen Irrtum, doch bald stellt sie fest, wie ihr bisheriges Leben ihr entgleitet. Innerhalb kurzer Zeit verliert sie ihren Job, sie wird verfolgt, bedroht und sogar vergewaltigt. 
Auch der Polizist Martin Servaz – er befindet sich bereits, psychisch angeschlagen, in einer Reha-Einrichtung – bemerkt, dass jemand mit ihm spielt; die Spielchen freilich sind sehr unerfreulich, und sie haben bereits Menschenleben gekostet. 
Bernard Minier hat einen kühnen Roman geschrieben, dessen Hauptfigur über weite Strecken abwesend ist. Es ist ein Stalker, aber er ist hochintelligent, und er macht sich selbst die Finger nicht schmutzig. Erst als ihm die Schachfiguren ausgehen, sieht er sich genötigt, selbst in Erscheinung zu treten. Nett ist das nicht, aber spannend. Immer wieder versucht der Autor, seine Leser auf eine falsche Fährte zu locken. Ein Vexierbild, das sich immer wieder neu präsentiert – doch letztendlich ist alles ganz einfach, und sogar Hoffnung bleibt zum Schluss. 

Prädikat: ***

Nicole Steyer: Die Kunst des Teufels (Knaur)

Die junge Teresa hat eine Gabe, die einer Frau eigentlich gar nicht zusteht: Sie kann sehr gut schnitzen. Doch Geschäfte sind Männersache, und so gerät das junge Mädchen in große Bedrängnis, als marodierende Landsknechte ihren Bruder töten. In Passau findet sie Unterschlupf, und eine Zukunft: Vom Waisenkind zur Holzbildhauerin – Nicole Steyer erzählt eine Geschichte aus der Zeit des Dreißigjährige Krieges, die leider ziemlich unrealistisch erscheint. Geschrieben allerdings ist das Buch gut; es liest sich auch spannend. 

Prädikat: **

Katherine Wilson: Amore al dente (Knaur)

Eine Amerikanerin reist zum Praktikum nach Neapel – wenn das mal nicht einen Kultur- schock gibt! Und in der Tat: Katherine Wilson, Oberklasse-Sprößling aus Washington D.C., hat gleich ein ganzes Buch darüber geschrieben. Denn kaum gelandet, nimmt die neapolitanische Oberklasse die junge Dame in Empfang – in Gestalt von Salvatore. Seine Mutter Raffaella hat sich nicht nur höchstpersönlich darum gekümmert, dass die Praktikantin des Konsuls ein angemessenes Zimmer als Unterkunft bekommt; sie sorgt auch gleich für ihre Integration. Denn die Mamma kocht sagenhaft; von den Köstlichkeiten, die sie auf den Tisch bringt, handelt etwa die Hälfte dieses Buches. Der verbleibende Rest berichtet, wie Katherine sich erst in die Familie, und dann in Salvatore verliebt. Eine amüsan- te Studie über interkulturelle Kommunikation und ihre Tücken. 

Prädikat: *

Donnerstag, 3. November 2016

Sabine Thiesler: Und draussen stirbt ein Vogel (Heyne)

Ein junger Mann steht vor der Tür – er will das Gästehaus mieten, das zum Anwesen von Rina Kramer gehört. Die erfolgreiche Auto- rin, soeben von einer Lesereise zurück- gekehrt in ihr Landhaus in der Toskana, ahnt nicht, dass dieser Bursche mitnichten Urlaub machen will. Seit Jahren sitzt er in ihren Lesungen, was ihr aber leider nicht aufgefallen ist. Der Leser erfährt es gleich auf den ersten Seiten: Manuel ist ein Stalker, und er hasst die Schriftstellerin. Denn er ist überzeugt davon, dass sie ihre Romane gestohlen hat – jedes einzelne Wort, aus seinem Kopf. Und deshalb will er Rina vernichten. 
Die Story klingt gut, ihre Umsetzung liest sich allerdings mühsam. Denn die Autorin ist, was das Schreibhandwerk angeht, nicht sonder- lich versiert – daran hat leider auch das Germanistik-Studium nichts geändert. Dass sie obendrein eine Erzählweise gewählt hat, bei der aus der Perspektive verschiedener Figuren berichtet wird, macht die Sache nicht besser. Schade!

Prädikat: *

Stephan Harbort: Aus reiner Mordlust (Knaur)

In diesem Buch erläutert Stephan Harbort, Experte für Serienmorde, was in den Köpfen von Menschen vorgeht, die aus reiner Mordlust töten. Er berichtet über ihre Taten und über die Ermittlungen der Polizeit. Dazu gibt er Einblick in die psychischen Hintergründe dieser Fälle. Sein Stil ist sachlich; ein Krimi ist dieses Buch nicht. Dennoch blickt der Leser in Abgründe. Denn Harbort weiß, worüber er schreibt: Der Kriminalhauptkommissar sprach mit mehr als 50 Serienmördern. Er entwickelte Fahndungsmethoden zur Überführung von Gewalttätern und ist Fachberater bei TV-Dokumentationen und Krimi-Serien. 

Prädikat: ***

Montag, 24. Oktober 2016

Claudia Weiss: Rattenfängerin (Knaur)

Hamburg im Jahr 1713, während des Nordischen Krieges: Der Feind steht vor den Toren, Flüchtlinge drängen sich überall, und obendrein bricht in der Stadt die Pest aus. Geplagt von Hunger, Not und Ungewissheit, suchen die Menschen nach Halt und Orientierung. Religiöse Fanatiker und zwielichtige Gestalten haben ein leichtes Spiel. Als allerdings tote Kinder aufgefunden werden, die keineswegs an der Pest gestorben, sondern unübersehbar geschändet worden sind, greift die Obrigkeit ein. Denn eine Pastorentochter zu entführen, um sie zu einem solchen „Engelskind“ zu machen – das geht dann doch zu weit. Mit viel Phantasie und einigen Fakten hat Claudia Weiss einen spannenden historischen Roman um den großen Brand von Altona und die letzte Pestepidemie in Hamburg geschrieben; man könnte das Buch beinahe einen Krimi nennen. 

Prädikat: **

Sabine Eichhorst: Die Liebe meines Vaters (Knaur)

Als Loris Schorb 1930 in Budapest aus dem Zug steigt, ist er überwältigt von der Stadt mit ihren vielen Brücken, dem pulsierenden Leben und den freundlichen Menschen. Immer wieder reist er an die Donau – bis dann der Krieg zu Entscheidungen zwingt. 
Ende der 50er Jahre verliebt sich in München die junge Maria in den Ungarn Dénes. Als sie ihm eines Tages alte Familienfotos zeigt, erkennt er darauf seine Tante Éva. Der Mann an ihrer Seite ist Marias Vater Loris. Doch er ist im Krieg verschollen, und daher müssen die jungen Leute versuchen, auf anderem Wege Antworten auf die vielen Fragen zu finden, die sich für sie aus diesem Foto ergeben. Die Geschichte einer großen Liebe, die leider nicht glücklich endet, gekonnt erzählt von Sabine Eichhorn.

Prädikat: ***

Mittwoch, 19. Oktober 2016

Klüpfel / Kobr: Himmelhorn (Droemer)

Ausnahmezustand herrscht bei Kommissar Kluftinger – schließlich steht die Geburt seines Enkels unmittelbar bevor. Dazu kommt eine fette Ehekrise bei Doktor Langhammer, in die er gegen seinen Willen mit hineingezogen wird. Zu allem Überfluss interessiert sich plötzlich auch noch seine Chefin für die Weiterbildung bei der Kripo Kempten, und hat spontan eine Maßnahme zur Stärkung des Teams angeordnet. 
Dieses Chaos wird abgerundet durch eine Entdeckung, die Kluftinger bei einer Radtour macht, zu der ihn Langhammer genötigt hat: Am Himmelhorn sind drei Bergsteiger abgestürzt und dabei zu Tode gekommen. Da der Gipfel als gefährlich gilt, wird zunächst ein Unfall angenommen. 
Doch bei seinen Ermittlungen kommen Dinge ans Tageslicht, die den Kult-Kommissar zunehmend an dieser Version zweifeln lassen. Denn unter den Toten ist ein bekannter Filmemacher, dessen Ableben seinen Geschäftspartnern gerade erstaunlich gut ins Konzept passt. Außerdem stößt Kluftinger auf eine alte Fehde zwischen zwei Bergführer-Dynastien. 
Auch der neunte Fall der Bestseller-Autoren Volker Klüpfel und Michael Kobr überrascht durch sein gänzlich unerwartetes Finale. Vorher gibt es viel Situationskomik, eine große Portion Selbstironie – was die Geschichte aus dem großen Meer der Regionalkrimis deutlich heraushebt – und natürlich die krimi-übliche Spannung. Sehr gelungen!

Prädikat: ****

Manuela Reibold-Rolinger: Das war im Plan nicht eingezeichnet (Knaur)

Rechtsanwältin Manuela Reibold-Rolinger hat sich auf die Beratung von Bauherren spezialisiert – „Verbraucher“, ganz normale Leute also. Viele von ihnen sind durch ihr Bauvorhaben in existenzbedrohende Nöte geraten. In diesem Buch hat die Anwältin, bekannt durch die Sendung „Die Bauretter“ auf RTL II, krasse Fälle zusammengestellt. Der Leser trifft auf skrupellose Makler, arrogante Banken und Baufirmen, die ahnungslose Familien hemmungslos über den Tisch ziehen. 
Man staunt allerdings auch darüber, wie blauäugig viele Bauherren ihre Bauvorhaben starten. Da werden Verträge ungeprüft unter- schrieben, für Bauleistungen werden nicht einmal Angebote eingeholt, und auch einen Fachmann, der den Handwerkern im Auftrag der Häuslebauer penibel auf die Finger schaut, spart man sich gern. Bis dann das böse Erwachen kommt. Wer sich schon immer einmal richtig gruseln wollte, dem sei dieses Buch empfohlen – der reinste Horror! 

Prädikat: ***

Mittwoch, 12. Oktober 2016

Jussi Adler-Olsen: Erlösung (dtv)

Eine Flaschenpost bringt die Ermittler auf die Spur. Das verblasste Schriftstück gelangt ins Sonderdezernat Q in Kopenhagen – wo Carl Mørck und sein Assistent Assad es erstmals genau untersuchen. Das Resultat ist schockierend: Die Materialanalyse zeigt, dass die Botschaft mit menschlichem Blut geschrieben wurde. Mühsam, Buchstabe für Buchstabe, wird der Text entziffert. Er erweist sich als verzweifelter Hilferuf, abgeschickt von entführten Kindern, die allerdings nie als vermisst gemeldet worden sind. Die Recherchen der Kriminalisten führen in tief religiöse Kreise – und zu einem Massenmörder, der die Wagenburgmentalität dieser Menschen geschickt für seine Zwecke ausnutzt. Dieser Thriller von Jussi Adler Olsen ist in jeder Hinsicht gruslig; der Irrsinn, der die Handlung bestimmt, scheint auch die Figuren mehr und mehr zu ergreifen. Der dritte Fall für Carl Mørck kann rundum überzeugen – und der Leser wünscht sich mehr davon. 

Prädikat: ****

Tanja Weber: Die Frauen meiner Familie (Droemer)

Das Bild auf dem Dossier kennt Elsa nur zu gut. Es handelt sich um ein Gemälde, das früher in der Wohnung ihrer Großeltern hing, und ihre Urgroßmutter Anneli Gensheim darstellen soll. Die Kunst- historikerin soll einem Diebstahl nachgehen; ihr Vater hatte das Bild vor einigen Jahren „vertickt“, wie er selbst sagt. Es gehört nun einem Sammler, und wurde aus einer Ausstellung geklaut. 
Eigentlich könnte Elsa es damit gut sein lassen. Doch dann begibt sie sich auf die Suche nach dem verschwundenen Bild. Dabei findet sie immer mehr über in ihre eigene Familiengeschichte heraus – die durchaus ihre dunklen Flecken aufweist. Tanja Weber ist, inspiriert durch die Sammlung von Cornelius Gurlitt, ein spannender Kunstkrimi gelungen. Auch wenn sie bei der Zeichnung ihrer Figuren manchmal in Klischees gerät, folgt man ihr gern durch die Jahre – bis hin zum nicht mehr ganz unerwarteten Finale in der Gegenwart. 

Prädikat: ***

Dienstag, 11. Oktober 2016

Lilli Gruber: Der Sturm (Droemer)

Hella Rizzoli muss sich entscheiden: Wenn sie weiter auf dem Gut ihrer Familie in Südtirol leben will, dann wird sie zwangsweise zur Italienerin. Die Optanten, die sich dafür entschieden haben, Deutsche zu bleiben, müssen die Heimat verlassen. Sie werden umgesiedelt – was jedoch nicht immer positiv verläuft, wie sich allmählich herumspricht. Die Männer ziehen in den Krieg. Und die Frauen müssen die Lasten jener harten Jahre allein tragen. 
Lilli Gruber hat in diesem Roman aufge- schrieben, wie ihre Familie die Kriegsjahre erlebte. Dabei konnte sie auf zahlreiche Dokumente zurückgreifen. Denn Hella Rizzoli war die Großtante der Journalistin. Ihr Schicksal zeigt, warum viele Südtiroler große Hoffnungen auf Hitler setzten – und wie hart sie sich damit täuschten. 
Die Autorin hatte bereits in Das Erbe auf die Auswirkungen der Teilung Tirols nach dem Ersten Weltkrieg aufmerksam gemacht. In Der Sturm erzählt sie erneut auf höchst lebendige Weise europäische Geschichte, die außerhalb der betroffenen Region bislang wohl nur von Historikern wahrgenommen worden ist. 

Prädikat: ****

Iny Lorentz: Die Fürstin (Knaur)

Fürst Carl Anton von Saalstein-Tresskau muss heiraten – doch weil er einen extrem schlechten Ruf hat, muss sein Vertrauter Philipp von Zinggen sehr weit reisen, um eine Braut zu finden. Im tiefsten Franken wird er wohlwollend aufgenommen; die Ostheim-Veldenburgs sind zwar von altem Adel, aber sie können nicht wählerisch sein, denn sie haben acht Töchter, und keinerlei Vermögen. Charlotte, lang aufgeschossen und eher knabenhaft, muss sich daher glücklich schätzen, überhaupt einen Bräutigam zu bekommen. 
Das Autorenpaar, das unter dem Pseudonym Iny Lorentz bereits etliche erfolgreiche Historienromane veröffentlicht hat, erzählt in diesem Buch die Geschichte einer Ehe, die als Zweckbeziehung beginnt. Doch die junge Fürstin erobert in ihrer handfesten Art rasch nicht nur die Herzen ihrer Untertanen. Dieses Glück allerdings gerät in große Gefahr; Carl Anton fällt einem Attentat zum Opfer, und auch Charlotte kann nur knapp entkommen. Wie es ihr gelingt, mit hohem persönlichen Einsatz und geschickter Politik das Fürstentum zurückzuerobern und die Herrschaft derer von Saalstein-Tresskau zu erhalten, das wird von den Autoren spannend geschildert – und dem Leser ermöglicht der Roman obendrein einen Rundblick auf die europäische Bühne jener Zeit, bis hin zum Kaiserhof. 

Prädikat: ***

Chris Holm: So was von tot (Knaur)

Das perfekte Verbrechen ist sein Beruf: Michael Hendricks ist ein Auftragskiller-Killer. Er kennt die Abschussliste des organisierten Verbrechens. Sein Geschäftsmodell: Zahle mir zehnmal soviel, wie der Killer bekommt, der auf dich angesetzt ist, und ich räume ihn aus dem Weg. Etliche Jahre hat das bestens funktioniert. Doch dann wird Hendricks selbst zum Gejagten. Der Auftragsmörder, der ihm auf den Fersen ist, will in den Geschäft der beste sein, und er kennt keinerlei Skrupel. Eine verrückte Story, die dem Leser schlaflose Nächte bereitet – garantiert! 

Prädikat: ****

Sonntag, 9. Oktober 2016

Lena Johannson: Sanddornsommer (Knaur)

Franziska, junge und dynamische Beraterin aus Hamburg, hilft ihren Mandanten, festfahrenen Situationen zu entkommen und ihr Leben zu ändern. Nun nimmt sie eine Auszeit auf Rügen – und stellt dabei fest, dass auch sie Veränderung gut brauchen kann. Da wäre zum einen Biobauer Niklas, in den sie sich Hals über Kopf verliebt. Er hat aber einen Bruder, Jürgen, der sie fatal an den geliebten Bruder ihrer ersten Lebensjahre erinnert. Allerdings verschwand er dann plötzlich, und Franziskas Eltern haben immer geleugnet, dass es ihn je gegeben hat. 
Ein toller Plot, aus dem Lena Johannson dann aber leider nur eine höchst mittelprächtige Geschichte zu machen versteht, mit ganz viel Sanddorn und Rügen-Lokalkolorit. Als Roman gestartet, als Unter- haltung gestrandet. Schade. 

Prädikat: *

Freitag, 7. Oktober 2016

Luis Sellano: Portugiesisches Erbe (Heyne)

Henrik Falkner, ein ehemaliger Polizist, reist nach Lissabon. Dort soll er ein geheimnisvolles Erbe antreten: Sein Onkel, den er nie kennengelernt hat und über den in der Familie geschwiegen wurde, hat ihm ein Haus nebst Antiquariat vermacht. Noch während er aber darüber nachdenkt, ob er dieses Vermächtnis überhaupt haben will, wird auf ihn ein Anschlag verübt. Und im Laden stellt er fest, dass sein Onkel Spuren gelegt hat – zu Verbrechen, die nie aufgeklärt wurden. Ein packender Krimi, voll Atmosphäre. „Luis Sellano“, ein deutscher Autor, der unter Pseudonym publiziert, verbindet hier seine offensichtliche Liebe zur Altstadt von Lissabon mit einer abenteuerlichen Story. 

Prädikat: ***

Marie Cristen: Der Blutfluch (Knaur)

Die kleine Aliza wird von Zigeunern gerettet, als ihre Mutter sich in einem reißenden Fluss ertränkt. Mit dem Stamm reist sie umher. Doch als die Sippe bei Barbarossas Hochzeit in Würzburg ihr Lager aufschlägt, hat das nicht nur für Aliza unerwartete Folgen. Die „blonde Ägypterin“ fällt dem Adel auf, und sie gerät mitten hinein in Hofintrigen. 
Das Blutmal aber, das sie im Nacken trägt, wendet schließlich ihr Geschick – denn es ist das Zeichen der Zähringer. So findet Aliza ihren Vater, sie erhält eine reiche Mitgift, wird verheiratet und mitsamt Ehemann nach Burgund geschickt, in ihre ursprüngliche Heimat. Politik ändert alles, so lehrt dieser Historienroman von Marie Cristen, aber für die Betroffenen ist das keine angenehme Erfahrung. 

Prädikat: **

Donnerstag, 6. Oktober 2016

Claudia Rusch: Zapotek und die strafende Hand (Knaur)

Eigentlich wollte Henning Zapotek, Hamburger Kriminalhauptkommissar, sein Sabbatjahr nutzen, um gen Nordpol zu segeln. Statt dessen findet er sich in Klokenzin bei Stralsund wieder, dem Heimatdorf, dem er eigentlich entrinnen wollte. Doch dann sind da zwei mysteriöse Todesfälle. 
Als Zapotek anfängt, unbequeme Fragen zu stellen, muss er feststellen, dass dies auch für ihn recht schmerzhaft werden kann. Claudia Rusch legt hier einen souverän geschriebenen, stimmungsvollen Ostsee-Krimi vor – und obendrein ist der Fall ziemlich spannend. 

Prädikat: ****

Vera Kühne: Grenzenlos (Pattloch)

„Unsere Heimat liegt innen, aber wir irren immer umher und suchen Trost woanders, in der Außenwelt“, zitiert Vera Kühne ein Zitat, dass sie in Taizé gelesen hat. Die Chirurgin reist seit Jahren umher, und sie hat vielen tausend Menschen in den Krisengebieten unserer Erde geholfen. In diesem Buch berichtet sie über Einsätze in Kolumbien, im Kosovo und im Sudan, in Mazedonien und Papua-Neuguinea, für Ärzte ohne Grenzen, den Malteser Auslandsdienst, das Internationale Rote Kreuz und andere Hilfsorganisationen sowie für die Bundeswehr, bei der sie als Stabsärztin in Afghanistan tätig war. Dabei geht ihre Arbeit oft weit über die reine Krankenversorgung hinaus – ein anstrengendes Leben, das viel Kraft kostet. Immer wieder stellt sie die routinierten Abläufe im wohlgeordneten Deutschland infrage, bricht ab, fängt neu an, wenn sie das Gefühl hat, nicht am richtigen Ort zu sein. Eine beeindruckende Lebensgeschichte. Doch letztendlich wünscht der Leser Vera Kühne, sie möge Halt und Ruhe finden – auch in der Heimat gibt es Probleme, und jede Menge Patienten, die einen engagierten Arzt dringend brauchen. 

Prädikat: ***

Donnerstag, 28. Juli 2016

Linde Salber: Nicht ohne Utopie (Kulturmaschinen)

Eine Biographie des Schriftstellers Her- mann Kant hat Linde Salber mit Sorgfalt erarbeitet. Sie ist in erster Auflage bereits 2013 erschienen, und wurde nun in einer Neuausgabe vorgelegt – von der Autorin kritisch durchgesehen und mit über hundert Fotos schön gestaltet. Die Tatsache, dass Salber ihre frühe Kindheit in Ostdeutschland verbrachte, und dann im „Westen“ lebte, während Kant als Kind in Westdeutschland aufwuchs und später in der DDR wirkte, ist ein Kuriosum. Dieses Buch profitiert aber davon, denn Salber besteht, bei aller Annähe- rung, auf Distanz. 
Hermann Kant ist, das Cover mit dem Januskopf deutet es an, nicht nur der Autor hervorragender und stilistisch brillanter Bücher wie "Die Aula" oder "Der Aufenthalt". Er war auch, in der Nachfolge Anna Seghers', von 1978 bis 1990 Präsident des DDR-Schriftstellerverbandes und als solcher bemüht, dem Politbüro Freiräume für die schreibende Zunft abzuringen. Dieses Buch macht deutlich, dass dies nicht so einfach war, wie sich etliche das vorstellen - und dass es ihm auch nicht immer geglückt ist. Die Autorin hat das Kunststück fertigge- bracht, eine Biographie zu schreiben, die Kants Persönlichkeit ebenso gerecht wird wie seinem Schaffen. Sie spart kritische Punkte nicht aus, aber sie bleibt stets fair – und sie zeigt, sehr detailreich und durchaus mit Verständnis, wie sich der Autor unter den komplizierten Bedingungen in der DDR entwickelt hat. Beispielhaft! 

Prädikat: *****

Freitag, 19. Februar 2016

Ali Mitgutsch: Herzanzünder (dtv)

Ali Mitgutsch, der Erfinder der Wimmel- bücher, erinnert sich an seine Kindheit. Aufgewachsen ist er in der Münchner Maxvorstadt, zwischen Altstadt und Schwabing, in familiärer Geborgenheit, wohlbehütet von Eltern und Geschwistern, gutbürgerlich, wenn auch stets knapp bei Kasse und etwas beengt. Die Abenteuer hielten sich in überschaubaren Grenzen: Der Bierkrug, mit dem die Kinder ausgeschickt wurden, rechtfertigte abendliche Ausflüge, und statt einer Haustürklingel gab es den Familienpfiff. Doch die Idylle bekam bald Risse; die Nächte im Luftschutzkeller waren schlimm, aber noch viel schlimmer war die Evakuierung ins Allgäu, wo die Städter gar nicht beliebt waren und es sehr schwer hatten. Nach dem Kriegsende war München mit all den Ruinen für die Kinder ein Abenteuerspielplatz, und zugleich Schauplatz für eine Vielzahl von kleinen Anekdoten und Geschichten. Herzanzünder ist wie ein erzähltes Wimmelbild, liebevoll kleinteilig gestaltet, mit ein bisschen Nostalgie und mit viel Humor.

Prädikat: ****

Mittwoch, 17. Februar 2016

Aldo Ciccolini: Ich bin ein "lirico spinto" (Staccato Verlag)

Aldo Ciccolini (1925 bis 2015) gehört zu den großen Pianisten des 20. Jahrhunderts. Im Alter von acht Jahren begann er am Konservatorium in seiner Heimatstadt Neapel mit dem Musikstudium. Sein Klavierlehrer war Paolo Denza, ein Schüler von Ferruccio Busoni; in Harmonielehre und Kontrapunkt unterrichtete ihn Achille Longo. In Frankreich lernte er dann weiter, bei Marguerite Long, Alfred Cortot, Yves Nat und Jacques Février erhielt er Unterstützung und Anregungen. Wenig später unterrichtete Ciccolini dann selbst am Pariser Conservatoire. 
Inspiriert haben ihn zahlreiche Begegnungen mit Künstlerkollegen – nicht nur Musikern, sondern vor allem auch Schauspielern und Schriftstellern, die ihm die Augen geöffnet haben für jene Dimensionen der Musik, die eben nicht durch Kriterien wie Tondauer, Tonhöhe und Klangfarbe erfasst werden können. Im Dialog mit den Pianisten Pascal Le Corre, seinem früheren Studenten, erinnert er sich an die Stationen seines Lebens, und spricht über seine Arbeit am Klavier. Wir erfahren, wie er sich auf Konzerte vorbereitet, wie er mit Lampenfieber umgeht – und lernen dabei unglaublich viel über Musik. Ciccolini fasziniert mit seinen oftmals knappen Kommentaren; seine Gedanken über Musik und das Klavierspiel sind altersweise und tiefgründig. Sein Resümée am Ende eines langen und erfolgreichen Berufslebens: „Als auftretende Künstler sind wir nur Diener, deren Aufgabe es ist, dem Publikum Musik anzubieten. Wir führen unseren Beruf so gut aus, wie es geht, die Menschen hören uns zu und schenken uns für ein paar Jahre die Ehre der Anerkennung. Und dann werden wir verschwinden, und viele andere werden die Fackel ergreifen. So einfach ist das...“ 

Prädikat: *****

Samstag, 13. Februar 2016

Jean Bagnol: Commissaire Mazan und der blinde Engel (Knaur)

Ein Maler ist aus Paris in die Provence umgezogen. Etienne Idka ist blind, und er ist extrem erfolgreich – allerdings hat unmittelbar nach der Eröffnung seiner jüngsten Ausstellung eine Serie von Morden begonnen, bei der in bizarrer Weise Bildmotive nachinszeniert werden. Lieutenant Zadira Matéo ist allerdings durch ihren Nachbarn, den Tierarzt, derart abgelenkt, dass Commissaire Mazan die Ermittlungen übernehmen muss. Unterstützt wird der schlaue Kater dabei von sämtlichen Katzen ringsum, nebst Tierarzt-Hund Atos. Wirklich seltsame Dinge geschehen auf einmal in dem schläfrigen Städtchen – und die Bekanntschaft mit Camille, der blinden weißen Katze, öffnet dem Commissaire alle Türen im Hause des Malers. Jean Bagnol hat einen Krimi geschrieben, in dem die Tiere lange Zeit viel mehr wissen als die Menschen – doch zum Schluss versteht dann auch der Leser, dass Liebe seltsame Formen annehmen kann.

Prädikat: **

Martin Walker: Germany 2064 (Diogenes)

In die Zukunft führt uns der jüngste Roman von Martin Walker. Der Autor, der aus Schottland stammt, lebt in Washington und im Périgord. Letzteres ist die Heimat seiner erfolgreichen Kriminalromane um Bruno, Chef de police. Walker ist aber auch Mitglied des Think Tanks „Global Business Policy Council“ von A.T. Kearney, einer internationalen Beratungsgesellschaft. Dieses Gremium hat gemeinsam mit deutschen Unternehmern und Politikern Zukunftsszenarien entwickelt – und wie diese aussehen, das kann der Leser in diesem Buch erfahren. 
Walker beschreibt das Deutschland von 2064, in zwei Teile zerfallen: Zahlreiche Menschen leben in Hightech-Städten mit selbstlenkenden Fahrzeugen und hochentwickelten Robotern, permanent vom Staat kontrolliert und überwacht. Wer das nicht möchte, der lässt sich bei den Freiländern nieder, die betont naturnah und in selbstverwalteten Kommunen leben. An der Grenze zwischen diesen beiden Welten wird bei einem Konzert die Folksängerin Hati Boran entführt – vom neusten Roboter des Wendt-Konzerns? 
Kommissar Bernd Aguilar ermittelt, gemeinsam mit seinem Partner und Vertrauten Roberto. Doch kann er dem Kollegen Roboter nach dem letzten Update überhaupt noch vertrauen? Was geht da bei Wendt vor sich, und was klauen eigentlich die Überfall-Profis aus dem Transportkonvoi? Walker verblüfft mit einer mäßig spannenden Geschichte, die immer wieder unterbrochen wird von Erläuterungen, wie aus einem White Paper. Die Idee an sich ist ja ganz cool, aber das Ergebnis dürfte gern auch Literatur sein. Man merkt die Absicht, und man ist verstimmt. Schade! 

Prädikat: *

Wolfram Fleischhauer: Torso (Droemer)

Bizarr inszenierte Leichenteile an selt- samen Orten, wie in einem Bilderrätsel. Dazu ein junges Mädchen, das nicht an den Selbstmord ihres Bruders glauben will, beharrlich nachfragt, und zunehmend selbst in Gefahr gerät – diesmal bringen die Ermittlungen Hauptkommissar Martin Zollanger an seine persönlichen Grenzen. Denn die Spuren führen in die Berliner Politik. Es geht um Macht, und um viel Geld geht es auch. Und natürlich rühren auch ehemalige Stasi-Leute kräftig mit in diesem Sumpf. Es ist eine schauderhafte Geschichte, die Wolfram Fleischhauer in diesem Buch detailreich erzählt – nur leider ist das Finale absolut unglaubwürdig. 

Prädikat: **

Freitag, 12. Februar 2016

Mareike Marlow: Blaubeermorde (Knaur)

Jana, 63, hat viele Jahre als Landärztin gearbeitet und freut sich nun auf den Ruhestand, in ihrem geliebten Elternhaus. Ihr Vater, Tierarzt Joonas, hatte das Anwesen einst gekauft und liebevoll wieder instand gesetzt. Soeben ist er verstorben. Bei der Testamentseröffnung aber erlebt Jana den Schock ihres Lebens: Sie erfährt, dass sie eine Halbschwester hat. Tessa, 32, schwärmt für das Landleben – soweit es sich dekorativ als Foto-Story in der Zeitschrift vermarkten lässt, für die sie bislang gearbeitet hat. Den Job freilich ist sie gerade losgeworden, und ihren Freund hat sie beim Fremdgehen erwischt, was dummer- weise auch den Rausschmiss aus seiner Wohnung bedeutet. 
Das Haus am See hat der Vater beiden gemeinsam vermacht, und dazu verfügt, dass es ihnen erst dann gehören wird, wenn sie ein Jahr lang gemeinsam darin gewohnt haben. Was für ein Schreck! Zum Streiten aber haben die Schwestern gar keine Gelegenheit. Denn im Schilf treibt eine Leiche. Wer greift im geruhsamen Burgheide zu solchen Methoden? Die Schwestern kombinieren Ortskenntnis und journalistische Neugier, und sie sind damit unschlagbar. Mareike Marlow präsentiert zwei Detektivinnen, die dem Leser ganz sicher noch so manche Überraschung bereiten werden. Willkommen! 

Prädikat: ***

Montag, 8. Februar 2016

Sven Koch: Dünenkiller (Knaur)

Ein mysteriöser Fall für die Sondereinheit des LKA Niedersachen rund um die Ermittler Femke Folkmer und Tjark Wolf: Ein Krabbenfischer entdeckt eine Segelyacht, die wie ein Geisterschiff dahintreibt – an Bord drei Tote und eine Überlebende, die kein Wort spricht. Alle Spuren führen zu einer Gesellschaft, die Offshore-Windparks betreibt. Zunächst glaubt die Polizei jedoch an ein Eifersuchtsdrama und sieht die junge Frau als Täterin. Doch dann wird ein Mordanschlag auf die Frau verübt. Worum also geht es wirklich? Eine Briefkastenfirma rückt in den Focus der Ermittler, dubiose Kickback-Zahlungen inklusive. Der Fall zieht Kreise – und der Leser staunt, wie kriminell es doch an der idyllischen ostfriesischen Küste zugeht. Denn Autor Sven Koch deutet am Rande seiner eigentlichen Geschichte etliche weitere Verbrechen an; Stoff genug für die nächsten Dünen-Krimis! 

Prädikat: ***

Freitag, 5. Februar 2016

Friedrich Ani: Unterhaltung (Droemer)

Eigentlich schätze ich Friedrich Ani sehr. Er ist der geistige Vater des privaten Ermitt- lers Tabor Süden, der ziemlich schrullig, aber, möglicherweise gerade deshalb, sehr erfolgreich darin ist, Vermisste aufzu- spüren. Jeder Abgetauchte hat seine Geschichte, und in dem Maße, wie Süden diese Geschichten erkundet, kommt er den Verschwundenen näher – bis er das Rätsel gelöst und den Gesuchten gefunden hat. Eine besondere Rolle kommt dabei all den Wirtshäusern, Bierschwemmen und Trink- hallen dieser Republik zu, insbesondere den Münchnern. So weit, so gut.
Beim Schreiben dieser Texte scheint aber gelegentlich etwas übrig zu bleiben – Skizzen, Dialoge, Kurzgeschichten. Was den Autor dazu veranlasst hat, diese Überreste nicht nur an Zeitschriften zu geben und auf Lesungen vorzutragen, sondern sie obendrein auch noch in einem Buch zusammenzufassen, das bleibt mir ein Rätsel. Ich finde viele dieser kurzen Stücke deutlich weniger gelungen als seine Romane; sie wirken oft wie Bruchstücke aus einem längeren Text. Dieser Band mit Geschichten hat mich insgesamt ziemlich enttäuscht. Schade!

Prädikat: *

Courtney Miller Santo: Das Pfirsichhaus (Heyne)

Lizzie hat bislang Fußball gespielt, und wollte eigentlich noch an der Olympiade teilnehmen, bevor es Zeit wird, mit dem Leistungssport aufzuhören. Eine Verletzung zwingt sie, über ihre Zukunft nachzudenken. Da erfährt sie, dass das Haus ihrer geliebten Grandma Mellie abgerissen werden soll, bei der sie als Kind sehr glücklich war. 
Und weil ihre Cousinen Elyse und Isobel gerade eben auch nichts besseres zu tun haben, beschließen die Mädels, ein paar Monate am Mississippi zu verbringen und das verwinkelte Haus zu retten. Gemeinsam gehen sie daran, es zu renovieren – was jede Menge Abenteuer mit sich bringt, von Stress mit den Behörden über verborgene Bauschäden und bekloppte Handwerker bis hin zu versteckten Familiendokumenten und gänzlich neuen Ideen, wie es auf dem Lebensweg weitergehen könnte. 
Ein Roman, der sich liest wie eine Semesterarbeit im Fach Kreatives Schreiben – umständlich, so konstruiert, dass man die Story förmlich klappern hört beim Umblättern, und bis die eigentliche Geschichte in Gang kommt, dauert es eine gefühlte Ewigkeit. Also mein Fall ist dieses Buch nicht. 

Prädikat: --

Lilli Gruber: Das Erbe (Droemer)

In Pinzon ist sie zur Welt gekommen, in diesem kleinen Dorf hat sie – abgesehen von ihrer Ausbildung im Internat der Englischen Fräulein in Brixen und von wenigen kurzen Reisen – ihr ganzes Leben verbracht, und dort liegt sie auch begra- ben. Rosa Rizzoli, geborene Tiefenthaler, war die Urgroßmutter der Journalistin Lilli Gruber. Geboren wurde sie 1877; damals gehörte ihre Heimat Tirol noch zu Öster- reich-Ungarn: Man sprich Deutsch, und isst Knödel und Sachertorte. 
Die Familie ist vermögend; Rosa trägt Verantwortung nicht nur für ihre Familie, sondern auch für das Gut, die Dienstboten und die Mägde und Knechte. Lilli Gruber hat ihre Urgroßmutter, die 1940 gestorben ist, niemals kennengelernt; umso mehr interessiert sie sich für die Berichte und Gedanken, die sie ihren Tagebüchern anvertraut hat. Ihre Aufzeichnungen beginnen im Jahre 1902 und brechen Weih- nachten 1939 ab. 
In diesem Zeitraum hat sich in dieser Region vieles verändert: 1918 wurde Südtirol bis hinauf zum Brenner Italien zugeschlagen. Für die Südtiroler war dies ein Trauma; Lilli Gruber beschreibt anhand der Notizen ihrer Urgroßmutter, wie stark die Politik sich bis in die Familien hinein auswirkte. Geschichte, lebendig und lehrreich ver- mittelt – ein Buch, das beeindruckt und betroffen macht. 

Prädikat: ****

Donnerstag, 4. Februar 2016

Sabine Ebert: 1815 - Blutfrieden (Knaur)

„Mein Anliegen für dieses Buch war es (..) zu beleuchten: Was geschah eigentlich zwischen Völkerschlacht und Waterloo, insbesondere auf deutschen Boden?“, erklärt Sabine Ebert im Nachwort zu diesem Buch. Denn als 1813 Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig geschlagen wird, ist er noch lange nicht besiegt – es dauert noch mehr als anderthalb Jahre, bis er 1815 bei Waterloo endgültig bezwungen wird. Statt des ersehnten Friedens erleben viele deutsche Städte allergrößtes Elend. Die Autorin schildert in ihrem Buch den Rückzug der Armee Napoleons unter dem Druck der nachrückenden Verbündeten, und die Aus- wirkungen dieser großräumigen Truppenbewegungen auf die betroffene Bevölkerung. Dem Leser begegnen Personen aus allen sozialen Schichten – vom General bis zur Marketenderin und vom König bis zum Kanonier und vom Bürgermeister bis zum Totengräber. Sabine Ebert hat sich für dieses Buch auf eine gründliche Spurensuche begeben. Sie hat in den Archiven mehr als fünfzigtausend (!) Seiten Originalquellen studiert und sich mit Historikern und Militärs beraten. All die Stadtchroniken, Briefwechsel, Tagebücher, Zeitungs- und Augenzeugenberichte, Fach- und Sachbücher, Expertenhinweise und Ortsbegehungen sind in dieses Buch eingeflossen. Diese irrwitzige Arbeit hat sich gelohnt. Der Autorin ist ein Buch gelungen, das den Krieg mit all seinen Schrecken überaus lebendig darstellt und den Leser in eine Zeit führt, die aus dem Gedächtnis Europas leider bereits weitgehend verschwunden ist. Ergreifend! 

Prädikat: ****

Dienstag, 2. Februar 2016

Iny Lorentz: Das wilde Land (Knaur)

Der dritte Teil der großen Auswanderer- saga von Iny Lorentz! In diesem Roman berichtet das Münchner Autorenpaar über die Ansiedlung europäischer Siedler im Norden Mexikos – und über die Abspaltung ausgedehnter Gebiete und deren Anglie- derung an die Vereinigten Staaten nach dem Texanischen Unabhängigkeitskrieg 1835/36. Walther Fichtner, der einstige bettelarme Einwanderer, ist in Texas ein einflussreicher Mann geworden. Doch mit der Politik hat er so seine Probleme. Das liegt zum einen daran, dass Lamar, der Nachfolger von Präsident Sam Houston, die Komantschen aus ihren Jagdgründen vertreiben und sich dieses Land aneignen will. Auch die Siedler müssen stets ein waches Auge auf ihr Eigentum haben – Fichtner besitzt vieles, was andere ebenfalls gern hätten, und so muss er sich gegen so manchen Raubzug zur Wehr setzen. Zum anderen gehört Texas zu jenen Staaten, in denen Sklaverei erlaubt ist – und die Familie Fichtner leidet ganz besonders unter dem Rassendünkel der Sklavenhalter. Denn Fichtners zweite Frau Nizhoni ist eine Indianerin.

Prädikat: **

Martha Lea: Die Entdeckungen der Gwen Carrick (Droemer)

„Wenn eine junge Frau ein Bild eines hübschen roten Käfers malt, (..) wird es ,entzückend' genannt, und für die Künstlerin wird rasch ein Ehemann gefunden. Wenn ein junger Mann eine anatomische Studie eines Rotköpfigen Feuerkäfers anfertig, wird er zur Universität geschickt.“ Mit diesen Worte fasst Gwen Carrick, die Heldin dieses Romans, eine Tatsache zusammen, die sie als höchst ungerecht empfindet – aber daran ist nicht zu rütteln, denn im
19. Jahrhundert war eine Karriere als Wissenschaftlerin für Frauen nicht vorgesehen. 

Ihr Wissen über Insekten und ihre Kunstfertigkeit dabei, die Tiere zu zeichnen, beeindrucken Edward Scales. Wie durch einen Zufall begegnen sich die beiden – doch schon bald ahnt der Leser, dass Scales nicht ganz aufrichtig ist. Martha Lea erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die von Emanzipation träumt, und dafür ein großes Risiko eingeht. Denn Gwen begleitet Scales auf eine Forschungsreise nach Brasilien, was sich letztendlich als ein lebensgefährliches Abenteuer erweist. Erstaunt stellt der Leser fest: Nahezu alle Helden dieses Romans haben ihre Geheimnisse – und die Autorin versteht sich meisterhaft auf Irrwege und Andeutungen. 

Prädikat: **

Pierre Martin: Madame le Commissaire und die späte Rache (Knaur)

Boule spielen, die Ruhe und den Duft der Lavendelfelder genießen – nach einem Attentat hat sich Kommissarin Isabelle Bonnet gegen Paris und für die Provence entschieden. Eigens für sie wurde daher eine Stelle im beschaulichen Fragolin geschaffen. Dort soll sie sich mit alten, unaufgeklärten Fällen aus der Region beschäftigen, wenn sie Lust dazu hat. Doch bevor sie auch nur eine Akte in der Hand hält, stolpert sie beim Spaziergang am Strand über eine grauenhaft zugerichtete Leiche. So etwas scheint in dieser Gegend kein Einzelfall zu sein, stellt die Kommissarin dann fest: Ihr Assistent Apollinaire stößt in den Akten auf einen alten Mord, bei dem ein Mann mit einer Mistgabel traktiert wurde. Eine weitere Leiche hatte ein Kondom über dem Kopf; die Hinweise sind eindeutig. Bonnet entdeckt Gemeinsamkeiten zwischen den Verbrechen, die alle übersehen haben. Sie findet eine Spur – und sie findet kurz darauf auch den Täter. Ein sehr gelungener Krimi, mit einem tragischen Finale.

Prädikat: ***

Montag, 1. Februar 2016

Su Turhan: Anstich (Knaur)

Das Oktoberfest ist vorbei. Bei den Auf- räumarbeiten werden in einem riesigen Haufen Müll drei Leichen gefunden: Ein Renter-Ehepaar, das offenbar beim Anblick einer Wildschwein-Horde vor Schreck gestorben ist, und ein arabisch aussehender Mann im Kaftan. Katerstimmung in München – und Kommissar Zeki Demirbilek, Leiter der Soko Migra, kann sein Romantik- wochenende in Istanbul vergessen. 
Und es kommt noch dicker: Es reicht nicht aus, dass er bei seinen Ermittlungen mit Kommissar Pius Leipold zusammenarbeiten muss. Obendrein bereiten sein Sohn Aydin und dessen schwangere Freundin Yale ihre Hochzeit vor – was zunächst Anlass gibt zu ebenso temperamentvollen wie anstrengenden Auseinandersetzungen, und dann zu der Feststellung, dass sich das Paar nicht mehr liebt. Gegen soviel Durcheinander hilft nur ein gutes Bier – und dann stürzt sich Kommissar Pascha in die Ermittlungen. 
Su Turhan lässt vor den Augen des Lesers ein Panoptikum Münchner Originale aufmarschieren; er schildert Szenen, die urkomisch sind – und lässt dann gekonnt die Handlung kippen, so dass einem das Schmunzeln im Gesicht einfriert. Dieses Buch ist ohne Zweifel der bislang beste Krimi des  Autors, voll Trubel und Chaos, spannend bis zur letzten Seite – und natürlich gelingt die Aufklärung des Falles zum Schluss mit einer gänzlich unerwarteten Wendung.

Prädikat: ***

Donnerstag, 28. Januar 2016

Kate Riordan: Im Spiegel ferner Tage (Heyne)

Alice, 22 Jahre jung und Schreibkraft bei einem Verleger in London, hat eine Affäre mit den Buchhalter. Als sie feststellt, dass sie schwanger ist, ist diese Beziehung schon lange vorbei – doch was nun? 
Die Mutter schickt Alice zu einer Bekannten auf ein Gut im malerischen Gloucestershire. Dort soll sie leichte Hausarbeit verrichten, und ihr Kind zur Welt bringen, damit niemand etwas mitbekommt. Denn damals, 1932, war ein uneheliches Kind ein Desaster, und ruinierte die Aussichten einer jungen Frau auf eine Heirat endgültig. Heiraten aber soll Alice; auch wenn sie derzeit noch von ganz anderen Dingen träumt als von einem Ehemann nebst Häuschen und Kinderschar. 
Fiercombe Valley erweist sich als ein magischer Ort. Wenn sie nicht unter Aufsicht von Mrs Jelphs Silber poliert oder Vorhangquasten sortiert, erkundet Alice das Anwesen. Im Sommerhaus findet sie das Tagebuch der einstigen Gutsherrin Elizabeth, und Nachbarn berichten ihr mehr über die Gebäude und ihre früheren Bewohner. Die Lebensgeschichte von Elizabeth, die sie allmählich erfährt, berührt sie auf eigentümliche Weise, ebenso wie Fiercombe, das offenbar seine Eigenheiten hat. Doch noch während sie nach den Spuren der schönen Gutsherrin sucht, beginnt eine neue Liebesgeschichte. Denn Alice lernt Thomas Stanton kennen, den Erben, der das Gut in naher Zukunft übernehmen soll. 
Kate Riordan schreibt einfühlsam und erzählt so detailreich, dass der Leser Fiercombe Manor und seine Bewohner geradezu vor sicht sieht. Ein gelungenes Buch, spannend bis zur letzten Seite. 

Prädikat: ***

Mittwoch, 27. Januar 2016

Mechtild Borrmann: Die andere Hälfte der Hoffnung (Droemer)

Ein alter Mann versteckt eine junge Frau, die offensichtlich verfolgt wird. Sie stammt aus Osteuropa, und sie will nicht nach Hause zurückkehren ohne ihre Freundin, der die Flucht nicht gelungen ist. Nach Deutschland gekommen ist sie als Studentin – das jedenfalls glauben die Mädchen, bis sie endlich begreifen, dass sie nur eine Handelsware sind. 
Das Leben in der Heimat aber ist auch kompliziert. Walentyna, die Mutter der Freundin, wartet vergeblich auf die versprochenen Briefe. Um nicht zu verzweifeln, schreibt sie ihre Lebensgeschichte auf – und Autorin Mechtild Borrmann macht mit diesem Wechsel der Erzählperspektive deutlich, dass dort, wo Kateryna und Olena herkommen, ein Menschenleben ebenfalls wenig zählt. Handwerklich geschickt berichtet sie über die Katastrophe von Tschernobyl und macht deutlich, welche Folgen sie auch langfristig für die Betroffenen hat. 
In der Ukraine ermitteln vier Polizisten, die einander nicht trauen, denn Gründe zum Verrat gibt es viele, und niemand weiß, wer letztendlich auf welcher Seite steht. Als der Milizionär Leonid Kyjan tatsächlich eine Spur findet, wird er entlassen. Trotzdem reist er nach Deutschland, und ihm gelingt es, gemeinsam mit den deutschen Kollegen die Menschenhändler zumindest zu stören. Wer diesen Krimi gelesen hat, der ahnt, dass das Geschäft weitergehen wird – mit anderen Handlangern, vielleicht auch an einem anderen Ort. 

Prädikat: ***

Val McDermid: Der lange Atem der Vergangenheit (Droemer)

In einem Türmchen auf dem Dach eines seit vielen Jahren leerstehenden Schulgebäudes in Edinburgh wird ein Skelett gefunden – mit einem Einschussloch im Schädel. Ein Fall für Detective Chief Inspector Karen Pirie und ihre Cold Cases Unit. Und ein Zufall hilft ihr bei der Suche. Denn der Tote hatte die Schlüsselkarte eines Hotels in seiner Hosentasche. Und auf dem Magnetstreifen dieser Plastikkarte finden sich darüber hinaus noch Spuren einer Bankverbindung. 
Parallel zu ihren Nachforschungen erzählt Autorin Val McDermid die Geschichte von Maggie Blake. Die Professorin an der Universität Oxford ist Expertin für das frühere Jugoslawien. Sie hat den Balkankrieg in Dubrovnik erlebt – und sich dort in Dimitar Petrovic verliebt, einen kroatischen General, der wohl auch für den Geheimdienst tätig war. Gemeinsam lebten sie in England, bis der Mann urplötzlich und spurlos verschwand. Blake vermutet, er habe alle Brücken abgebrochen, um in seiner Heimat alte Rechnungen zu begleichen. 
Das denken auch die Experten vom Internationalen Strafgerichtshof. Sie stellen fest, dass ihnen mehrfach ein Unbekannter in die Quere gekommen ist, und Kriegsverbrecher getötet hat, bevor sie verhaftet werden konnten. Auch sie setzen alles daran, den Täter zu finden. Diese drei Handlungsstränge führt Val McDermid gekonnt zu einem Krimi zusammen, der es in sich hat. Denn im ehemaligen Jugoslawien sind grausige Dinge geschehen – mitten in Europa, unter angeblich zivilisierten Menschen.

Prädikat: ****

Sonntag, 24. Januar 2016

Kristine Bilkau: Die Glücklichen (Luchterhand)

Cellistin Isabell und Redakteur Georg sind ein Paar, ein glückliches, mit einer Wohnung in bester Lage, mit Parkett und hohen Räumen. Mit der Geburt von Sohn Matti wächst aber nicht ihr Glück nicht wirklich. Beide fühlen sich unter Druck, und sind verunsichert: Isabell will zurück in ihr Musicalorchester – doch wenn sie ein Solo spielen muss, zittern nun ihre Hände. Und in Georgs Redaktion wollen Gerüchte nicht verstummen, der Verlag wolle die Zeitung verkaufen. 
Das Haus wird saniert; im Treppenhaus hängt jetzt ein Kronleuchter, und der Vermieter schickt eine Mieterhöhung. Die jungen Eltern beginnen zu zweifeln, zu rechnen und zu vergleichen – jeder für sich, denn miteinander reden sie immer weniger. Und wenn sie durch die Straßen laufen, dann lautet plötzlich die Botschaft all der Wohnungen mit den geschmackvollen Wandfarben und den Bücherregalen: Wir können, ihr nicht. Das Kiez mit seinen Cafés und Läden, dem Park und den Spielplätzen mit all den anderen Eltern ist auf einmal nicht mehr ihres. Kristine Bilkau zeigt uns in ihrem Debütroman eine Generation, die keinen Plan B hat – Perfektion als Lebensziel, Scheitern ist da nicht vorgesehen. Diese Menschen verhungern vor der vollen Krippe, weil sie denken, dass sie nur von ihrem goldenen Tellerchen und mit ihrem silbernen Gäbelchen essen können. Und so lebten sie sich denn auseinander. Was für ein schäbiges Paradies! 

Prädikat: ****

Samstag, 23. Januar 2016

Andrea Sawatzki: Der Blick fremder Augen (Droemer)

Eine Tote lehnt am Stamm einer Kiefer, die Kehle durchgeschnitten, und ein toter Hund ist bei ihr. Es ist die Vermieterin, die ihrer Mieterin die Kündigung angedroht hat. Und das erfahren wir Leser sehr viel schneller als die Polizei. Andrea Sawatzki schildert in ihrem Buch, wie eine junge Frau nach einer schwierigen Kindheit und einer Fehlgeburt geistig abdreht. Katrin hat Angstzustände, und sie bezieht jeden dummen Spruch und jeden schiefen Blick in ihrer Umgebung auf sich. Wie in einem Film wechseln die Szenen, kurz, drastisch, cut – und immer enger wird der Horizont der Kranken. Die Figuren, die Sawatzki zeichnet, sind zumeist ziemlich holzschnittartig angelegt. Das gilt nicht nur für die Gestalten, die die Kranke verzerrt wahrnimmt, sondern beispielsweise auch für den weichgespülten Oberkommissar Steffen Müller an der Seite ihrer Ermittlerin, der Kommissarin Melanie Fallersleben – im Buch wird sie kurioserweise auch „Falkenberg“ genannt. Und wie kann es sein, dass ein Oberkommissar Assistent einer Kommissarin ist? Bei allem Lesesog – aber hier hätte das Lektorat mehr Sorgfalt walten lassen sollen. Die handwerklichen Mängel sind so groß, dass sie das Lesevergnügen doch deutlich beeinträchtigen. Schade! 

Prädikat: *

Jörg Maurer: Felsenfest (Fischer)

Ein Klassentreffen mit Höhepunkt: Die Teilnehmer steigen gemeinsam auf einen Berg. Doch auf dem Gipfel, hoch droben über einem idyllischen alpenländischen Kurort, verwandelt sich einer von ihnen in einen maskierten, brutalen Geiselnehmer. Er verlangt nach Informationen, was ziemlich seltsam erscheint, und stürzt eine Geisel in den Abgrund hinab. 
Wer ist der Täter, und was will er eigent- lich? Das fragt sich Kommissar Jennerwein, nachdem die Polizei die Geiselnahme beendet und alle Beteiligten erst einmal festgesetzt hat. Dummer- weise kennt er die gesamte Truppe; es sind seine früheren Klassen- kameraden. Der sechste Alpenkrimi von Bestseller-Autor Jörg Maurer bietet Unterhaltung auf höchstem Niveau. Er spielt mit süddeutschen Befindlichkeiten, und führt dank uralter Verträge das Werdenfelser Land an den Rand einer Staatskrise. Ach ja, und natürlich wird der Geiselnehmer gefasst. Dass dieser Ermittler mittlerweile Kultstatus hat, verblüfft nicht. 

Prädikat: ***