Freitag, 19. Februar 2016

Ali Mitgutsch: Herzanzünder (dtv)

Ali Mitgutsch, der Erfinder der Wimmel- bücher, erinnert sich an seine Kindheit. Aufgewachsen ist er in der Münchner Maxvorstadt, zwischen Altstadt und Schwabing, in familiärer Geborgenheit, wohlbehütet von Eltern und Geschwistern, gutbürgerlich, wenn auch stets knapp bei Kasse und etwas beengt. Die Abenteuer hielten sich in überschaubaren Grenzen: Der Bierkrug, mit dem die Kinder ausgeschickt wurden, rechtfertigte abendliche Ausflüge, und statt einer Haustürklingel gab es den Familienpfiff. Doch die Idylle bekam bald Risse; die Nächte im Luftschutzkeller waren schlimm, aber noch viel schlimmer war die Evakuierung ins Allgäu, wo die Städter gar nicht beliebt waren und es sehr schwer hatten. Nach dem Kriegsende war München mit all den Ruinen für die Kinder ein Abenteuerspielplatz, und zugleich Schauplatz für eine Vielzahl von kleinen Anekdoten und Geschichten. Herzanzünder ist wie ein erzähltes Wimmelbild, liebevoll kleinteilig gestaltet, mit ein bisschen Nostalgie und mit viel Humor.

Prädikat: ****

Mittwoch, 17. Februar 2016

Aldo Ciccolini: Ich bin ein "lirico spinto" (Staccato Verlag)

Aldo Ciccolini (1925 bis 2015) gehört zu den großen Pianisten des 20. Jahrhunderts. Im Alter von acht Jahren begann er am Konservatorium in seiner Heimatstadt Neapel mit dem Musikstudium. Sein Klavierlehrer war Paolo Denza, ein Schüler von Ferruccio Busoni; in Harmonielehre und Kontrapunkt unterrichtete ihn Achille Longo. In Frankreich lernte er dann weiter, bei Marguerite Long, Alfred Cortot, Yves Nat und Jacques Février erhielt er Unterstützung und Anregungen. Wenig später unterrichtete Ciccolini dann selbst am Pariser Conservatoire. 
Inspiriert haben ihn zahlreiche Begegnungen mit Künstlerkollegen – nicht nur Musikern, sondern vor allem auch Schauspielern und Schriftstellern, die ihm die Augen geöffnet haben für jene Dimensionen der Musik, die eben nicht durch Kriterien wie Tondauer, Tonhöhe und Klangfarbe erfasst werden können. Im Dialog mit den Pianisten Pascal Le Corre, seinem früheren Studenten, erinnert er sich an die Stationen seines Lebens, und spricht über seine Arbeit am Klavier. Wir erfahren, wie er sich auf Konzerte vorbereitet, wie er mit Lampenfieber umgeht – und lernen dabei unglaublich viel über Musik. Ciccolini fasziniert mit seinen oftmals knappen Kommentaren; seine Gedanken über Musik und das Klavierspiel sind altersweise und tiefgründig. Sein Resümée am Ende eines langen und erfolgreichen Berufslebens: „Als auftretende Künstler sind wir nur Diener, deren Aufgabe es ist, dem Publikum Musik anzubieten. Wir führen unseren Beruf so gut aus, wie es geht, die Menschen hören uns zu und schenken uns für ein paar Jahre die Ehre der Anerkennung. Und dann werden wir verschwinden, und viele andere werden die Fackel ergreifen. So einfach ist das...“ 

Prädikat: *****

Samstag, 13. Februar 2016

Jean Bagnol: Commissaire Mazan und der blinde Engel (Knaur)

Ein Maler ist aus Paris in die Provence umgezogen. Etienne Idka ist blind, und er ist extrem erfolgreich – allerdings hat unmittelbar nach der Eröffnung seiner jüngsten Ausstellung eine Serie von Morden begonnen, bei der in bizarrer Weise Bildmotive nachinszeniert werden. Lieutenant Zadira Matéo ist allerdings durch ihren Nachbarn, den Tierarzt, derart abgelenkt, dass Commissaire Mazan die Ermittlungen übernehmen muss. Unterstützt wird der schlaue Kater dabei von sämtlichen Katzen ringsum, nebst Tierarzt-Hund Atos. Wirklich seltsame Dinge geschehen auf einmal in dem schläfrigen Städtchen – und die Bekanntschaft mit Camille, der blinden weißen Katze, öffnet dem Commissaire alle Türen im Hause des Malers. Jean Bagnol hat einen Krimi geschrieben, in dem die Tiere lange Zeit viel mehr wissen als die Menschen – doch zum Schluss versteht dann auch der Leser, dass Liebe seltsame Formen annehmen kann.

Prädikat: **

Martin Walker: Germany 2064 (Diogenes)

In die Zukunft führt uns der jüngste Roman von Martin Walker. Der Autor, der aus Schottland stammt, lebt in Washington und im Périgord. Letzteres ist die Heimat seiner erfolgreichen Kriminalromane um Bruno, Chef de police. Walker ist aber auch Mitglied des Think Tanks „Global Business Policy Council“ von A.T. Kearney, einer internationalen Beratungsgesellschaft. Dieses Gremium hat gemeinsam mit deutschen Unternehmern und Politikern Zukunftsszenarien entwickelt – und wie diese aussehen, das kann der Leser in diesem Buch erfahren. 
Walker beschreibt das Deutschland von 2064, in zwei Teile zerfallen: Zahlreiche Menschen leben in Hightech-Städten mit selbstlenkenden Fahrzeugen und hochentwickelten Robotern, permanent vom Staat kontrolliert und überwacht. Wer das nicht möchte, der lässt sich bei den Freiländern nieder, die betont naturnah und in selbstverwalteten Kommunen leben. An der Grenze zwischen diesen beiden Welten wird bei einem Konzert die Folksängerin Hati Boran entführt – vom neusten Roboter des Wendt-Konzerns? 
Kommissar Bernd Aguilar ermittelt, gemeinsam mit seinem Partner und Vertrauten Roberto. Doch kann er dem Kollegen Roboter nach dem letzten Update überhaupt noch vertrauen? Was geht da bei Wendt vor sich, und was klauen eigentlich die Überfall-Profis aus dem Transportkonvoi? Walker verblüfft mit einer mäßig spannenden Geschichte, die immer wieder unterbrochen wird von Erläuterungen, wie aus einem White Paper. Die Idee an sich ist ja ganz cool, aber das Ergebnis dürfte gern auch Literatur sein. Man merkt die Absicht, und man ist verstimmt. Schade! 

Prädikat: *

Wolfram Fleischhauer: Torso (Droemer)

Bizarr inszenierte Leichenteile an selt- samen Orten, wie in einem Bilderrätsel. Dazu ein junges Mädchen, das nicht an den Selbstmord ihres Bruders glauben will, beharrlich nachfragt, und zunehmend selbst in Gefahr gerät – diesmal bringen die Ermittlungen Hauptkommissar Martin Zollanger an seine persönlichen Grenzen. Denn die Spuren führen in die Berliner Politik. Es geht um Macht, und um viel Geld geht es auch. Und natürlich rühren auch ehemalige Stasi-Leute kräftig mit in diesem Sumpf. Es ist eine schauderhafte Geschichte, die Wolfram Fleischhauer in diesem Buch detailreich erzählt – nur leider ist das Finale absolut unglaubwürdig. 

Prädikat: **

Freitag, 12. Februar 2016

Mareike Marlow: Blaubeermorde (Knaur)

Jana, 63, hat viele Jahre als Landärztin gearbeitet und freut sich nun auf den Ruhestand, in ihrem geliebten Elternhaus. Ihr Vater, Tierarzt Joonas, hatte das Anwesen einst gekauft und liebevoll wieder instand gesetzt. Soeben ist er verstorben. Bei der Testamentseröffnung aber erlebt Jana den Schock ihres Lebens: Sie erfährt, dass sie eine Halbschwester hat. Tessa, 32, schwärmt für das Landleben – soweit es sich dekorativ als Foto-Story in der Zeitschrift vermarkten lässt, für die sie bislang gearbeitet hat. Den Job freilich ist sie gerade losgeworden, und ihren Freund hat sie beim Fremdgehen erwischt, was dummer- weise auch den Rausschmiss aus seiner Wohnung bedeutet. 
Das Haus am See hat der Vater beiden gemeinsam vermacht, und dazu verfügt, dass es ihnen erst dann gehören wird, wenn sie ein Jahr lang gemeinsam darin gewohnt haben. Was für ein Schreck! Zum Streiten aber haben die Schwestern gar keine Gelegenheit. Denn im Schilf treibt eine Leiche. Wer greift im geruhsamen Burgheide zu solchen Methoden? Die Schwestern kombinieren Ortskenntnis und journalistische Neugier, und sie sind damit unschlagbar. Mareike Marlow präsentiert zwei Detektivinnen, die dem Leser ganz sicher noch so manche Überraschung bereiten werden. Willkommen! 

Prädikat: ***

Montag, 8. Februar 2016

Sven Koch: Dünenkiller (Knaur)

Ein mysteriöser Fall für die Sondereinheit des LKA Niedersachen rund um die Ermittler Femke Folkmer und Tjark Wolf: Ein Krabbenfischer entdeckt eine Segelyacht, die wie ein Geisterschiff dahintreibt – an Bord drei Tote und eine Überlebende, die kein Wort spricht. Alle Spuren führen zu einer Gesellschaft, die Offshore-Windparks betreibt. Zunächst glaubt die Polizei jedoch an ein Eifersuchtsdrama und sieht die junge Frau als Täterin. Doch dann wird ein Mordanschlag auf die Frau verübt. Worum also geht es wirklich? Eine Briefkastenfirma rückt in den Focus der Ermittler, dubiose Kickback-Zahlungen inklusive. Der Fall zieht Kreise – und der Leser staunt, wie kriminell es doch an der idyllischen ostfriesischen Küste zugeht. Denn Autor Sven Koch deutet am Rande seiner eigentlichen Geschichte etliche weitere Verbrechen an; Stoff genug für die nächsten Dünen-Krimis! 

Prädikat: ***

Freitag, 5. Februar 2016

Friedrich Ani: Unterhaltung (Droemer)

Eigentlich schätze ich Friedrich Ani sehr. Er ist der geistige Vater des privaten Ermitt- lers Tabor Süden, der ziemlich schrullig, aber, möglicherweise gerade deshalb, sehr erfolgreich darin ist, Vermisste aufzu- spüren. Jeder Abgetauchte hat seine Geschichte, und in dem Maße, wie Süden diese Geschichten erkundet, kommt er den Verschwundenen näher – bis er das Rätsel gelöst und den Gesuchten gefunden hat. Eine besondere Rolle kommt dabei all den Wirtshäusern, Bierschwemmen und Trink- hallen dieser Republik zu, insbesondere den Münchnern. So weit, so gut.
Beim Schreiben dieser Texte scheint aber gelegentlich etwas übrig zu bleiben – Skizzen, Dialoge, Kurzgeschichten. Was den Autor dazu veranlasst hat, diese Überreste nicht nur an Zeitschriften zu geben und auf Lesungen vorzutragen, sondern sie obendrein auch noch in einem Buch zusammenzufassen, das bleibt mir ein Rätsel. Ich finde viele dieser kurzen Stücke deutlich weniger gelungen als seine Romane; sie wirken oft wie Bruchstücke aus einem längeren Text. Dieser Band mit Geschichten hat mich insgesamt ziemlich enttäuscht. Schade!

Prädikat: *

Courtney Miller Santo: Das Pfirsichhaus (Heyne)

Lizzie hat bislang Fußball gespielt, und wollte eigentlich noch an der Olympiade teilnehmen, bevor es Zeit wird, mit dem Leistungssport aufzuhören. Eine Verletzung zwingt sie, über ihre Zukunft nachzudenken. Da erfährt sie, dass das Haus ihrer geliebten Grandma Mellie abgerissen werden soll, bei der sie als Kind sehr glücklich war. 
Und weil ihre Cousinen Elyse und Isobel gerade eben auch nichts besseres zu tun haben, beschließen die Mädels, ein paar Monate am Mississippi zu verbringen und das verwinkelte Haus zu retten. Gemeinsam gehen sie daran, es zu renovieren – was jede Menge Abenteuer mit sich bringt, von Stress mit den Behörden über verborgene Bauschäden und bekloppte Handwerker bis hin zu versteckten Familiendokumenten und gänzlich neuen Ideen, wie es auf dem Lebensweg weitergehen könnte. 
Ein Roman, der sich liest wie eine Semesterarbeit im Fach Kreatives Schreiben – umständlich, so konstruiert, dass man die Story förmlich klappern hört beim Umblättern, und bis die eigentliche Geschichte in Gang kommt, dauert es eine gefühlte Ewigkeit. Also mein Fall ist dieses Buch nicht. 

Prädikat: --

Lilli Gruber: Das Erbe (Droemer)

In Pinzon ist sie zur Welt gekommen, in diesem kleinen Dorf hat sie – abgesehen von ihrer Ausbildung im Internat der Englischen Fräulein in Brixen und von wenigen kurzen Reisen – ihr ganzes Leben verbracht, und dort liegt sie auch begra- ben. Rosa Rizzoli, geborene Tiefenthaler, war die Urgroßmutter der Journalistin Lilli Gruber. Geboren wurde sie 1877; damals gehörte ihre Heimat Tirol noch zu Öster- reich-Ungarn: Man sprich Deutsch, und isst Knödel und Sachertorte. 
Die Familie ist vermögend; Rosa trägt Verantwortung nicht nur für ihre Familie, sondern auch für das Gut, die Dienstboten und die Mägde und Knechte. Lilli Gruber hat ihre Urgroßmutter, die 1940 gestorben ist, niemals kennengelernt; umso mehr interessiert sie sich für die Berichte und Gedanken, die sie ihren Tagebüchern anvertraut hat. Ihre Aufzeichnungen beginnen im Jahre 1902 und brechen Weih- nachten 1939 ab. 
In diesem Zeitraum hat sich in dieser Region vieles verändert: 1918 wurde Südtirol bis hinauf zum Brenner Italien zugeschlagen. Für die Südtiroler war dies ein Trauma; Lilli Gruber beschreibt anhand der Notizen ihrer Urgroßmutter, wie stark die Politik sich bis in die Familien hinein auswirkte. Geschichte, lebendig und lehrreich ver- mittelt – ein Buch, das beeindruckt und betroffen macht. 

Prädikat: ****

Donnerstag, 4. Februar 2016

Sabine Ebert: 1815 - Blutfrieden (Knaur)

„Mein Anliegen für dieses Buch war es (..) zu beleuchten: Was geschah eigentlich zwischen Völkerschlacht und Waterloo, insbesondere auf deutschen Boden?“, erklärt Sabine Ebert im Nachwort zu diesem Buch. Denn als 1813 Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig geschlagen wird, ist er noch lange nicht besiegt – es dauert noch mehr als anderthalb Jahre, bis er 1815 bei Waterloo endgültig bezwungen wird. Statt des ersehnten Friedens erleben viele deutsche Städte allergrößtes Elend. Die Autorin schildert in ihrem Buch den Rückzug der Armee Napoleons unter dem Druck der nachrückenden Verbündeten, und die Aus- wirkungen dieser großräumigen Truppenbewegungen auf die betroffene Bevölkerung. Dem Leser begegnen Personen aus allen sozialen Schichten – vom General bis zur Marketenderin und vom König bis zum Kanonier und vom Bürgermeister bis zum Totengräber. Sabine Ebert hat sich für dieses Buch auf eine gründliche Spurensuche begeben. Sie hat in den Archiven mehr als fünfzigtausend (!) Seiten Originalquellen studiert und sich mit Historikern und Militärs beraten. All die Stadtchroniken, Briefwechsel, Tagebücher, Zeitungs- und Augenzeugenberichte, Fach- und Sachbücher, Expertenhinweise und Ortsbegehungen sind in dieses Buch eingeflossen. Diese irrwitzige Arbeit hat sich gelohnt. Der Autorin ist ein Buch gelungen, das den Krieg mit all seinen Schrecken überaus lebendig darstellt und den Leser in eine Zeit führt, die aus dem Gedächtnis Europas leider bereits weitgehend verschwunden ist. Ergreifend! 

Prädikat: ****

Dienstag, 2. Februar 2016

Iny Lorentz: Das wilde Land (Knaur)

Der dritte Teil der großen Auswanderer- saga von Iny Lorentz! In diesem Roman berichtet das Münchner Autorenpaar über die Ansiedlung europäischer Siedler im Norden Mexikos – und über die Abspaltung ausgedehnter Gebiete und deren Anglie- derung an die Vereinigten Staaten nach dem Texanischen Unabhängigkeitskrieg 1835/36. Walther Fichtner, der einstige bettelarme Einwanderer, ist in Texas ein einflussreicher Mann geworden. Doch mit der Politik hat er so seine Probleme. Das liegt zum einen daran, dass Lamar, der Nachfolger von Präsident Sam Houston, die Komantschen aus ihren Jagdgründen vertreiben und sich dieses Land aneignen will. Auch die Siedler müssen stets ein waches Auge auf ihr Eigentum haben – Fichtner besitzt vieles, was andere ebenfalls gern hätten, und so muss er sich gegen so manchen Raubzug zur Wehr setzen. Zum anderen gehört Texas zu jenen Staaten, in denen Sklaverei erlaubt ist – und die Familie Fichtner leidet ganz besonders unter dem Rassendünkel der Sklavenhalter. Denn Fichtners zweite Frau Nizhoni ist eine Indianerin.

Prädikat: **

Martha Lea: Die Entdeckungen der Gwen Carrick (Droemer)

„Wenn eine junge Frau ein Bild eines hübschen roten Käfers malt, (..) wird es ,entzückend' genannt, und für die Künstlerin wird rasch ein Ehemann gefunden. Wenn ein junger Mann eine anatomische Studie eines Rotköpfigen Feuerkäfers anfertig, wird er zur Universität geschickt.“ Mit diesen Worte fasst Gwen Carrick, die Heldin dieses Romans, eine Tatsache zusammen, die sie als höchst ungerecht empfindet – aber daran ist nicht zu rütteln, denn im
19. Jahrhundert war eine Karriere als Wissenschaftlerin für Frauen nicht vorgesehen. 

Ihr Wissen über Insekten und ihre Kunstfertigkeit dabei, die Tiere zu zeichnen, beeindrucken Edward Scales. Wie durch einen Zufall begegnen sich die beiden – doch schon bald ahnt der Leser, dass Scales nicht ganz aufrichtig ist. Martha Lea erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die von Emanzipation träumt, und dafür ein großes Risiko eingeht. Denn Gwen begleitet Scales auf eine Forschungsreise nach Brasilien, was sich letztendlich als ein lebensgefährliches Abenteuer erweist. Erstaunt stellt der Leser fest: Nahezu alle Helden dieses Romans haben ihre Geheimnisse – und die Autorin versteht sich meisterhaft auf Irrwege und Andeutungen. 

Prädikat: **

Pierre Martin: Madame le Commissaire und die späte Rache (Knaur)

Boule spielen, die Ruhe und den Duft der Lavendelfelder genießen – nach einem Attentat hat sich Kommissarin Isabelle Bonnet gegen Paris und für die Provence entschieden. Eigens für sie wurde daher eine Stelle im beschaulichen Fragolin geschaffen. Dort soll sie sich mit alten, unaufgeklärten Fällen aus der Region beschäftigen, wenn sie Lust dazu hat. Doch bevor sie auch nur eine Akte in der Hand hält, stolpert sie beim Spaziergang am Strand über eine grauenhaft zugerichtete Leiche. So etwas scheint in dieser Gegend kein Einzelfall zu sein, stellt die Kommissarin dann fest: Ihr Assistent Apollinaire stößt in den Akten auf einen alten Mord, bei dem ein Mann mit einer Mistgabel traktiert wurde. Eine weitere Leiche hatte ein Kondom über dem Kopf; die Hinweise sind eindeutig. Bonnet entdeckt Gemeinsamkeiten zwischen den Verbrechen, die alle übersehen haben. Sie findet eine Spur – und sie findet kurz darauf auch den Täter. Ein sehr gelungener Krimi, mit einem tragischen Finale.

Prädikat: ***

Montag, 1. Februar 2016

Su Turhan: Anstich (Knaur)

Das Oktoberfest ist vorbei. Bei den Auf- räumarbeiten werden in einem riesigen Haufen Müll drei Leichen gefunden: Ein Renter-Ehepaar, das offenbar beim Anblick einer Wildschwein-Horde vor Schreck gestorben ist, und ein arabisch aussehender Mann im Kaftan. Katerstimmung in München – und Kommissar Zeki Demirbilek, Leiter der Soko Migra, kann sein Romantik- wochenende in Istanbul vergessen. 
Und es kommt noch dicker: Es reicht nicht aus, dass er bei seinen Ermittlungen mit Kommissar Pius Leipold zusammenarbeiten muss. Obendrein bereiten sein Sohn Aydin und dessen schwangere Freundin Yale ihre Hochzeit vor – was zunächst Anlass gibt zu ebenso temperamentvollen wie anstrengenden Auseinandersetzungen, und dann zu der Feststellung, dass sich das Paar nicht mehr liebt. Gegen soviel Durcheinander hilft nur ein gutes Bier – und dann stürzt sich Kommissar Pascha in die Ermittlungen. 
Su Turhan lässt vor den Augen des Lesers ein Panoptikum Münchner Originale aufmarschieren; er schildert Szenen, die urkomisch sind – und lässt dann gekonnt die Handlung kippen, so dass einem das Schmunzeln im Gesicht einfriert. Dieses Buch ist ohne Zweifel der bislang beste Krimi des  Autors, voll Trubel und Chaos, spannend bis zur letzten Seite – und natürlich gelingt die Aufklärung des Falles zum Schluss mit einer gänzlich unerwarteten Wendung.

Prädikat: ***